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Die Hausangestellten

■  Südafrikas berühmtester Cartoon „Madam & Eve“ ist die noch immer aktuelle Gratwanderung zwischen Unterhaltung und Politik

„Es ist nun fünf lange Jahre her“, schreibt eine Frau mittleren Alters in ihr Tagebuch, „daß mich Eve verlassen hat, aber ich glaube, ich habe das ganz gut bewältigt.“ Plötzlich steht Eve vor ihr, elegant gekleidet, mit teurem Schmuck behängt. „Eve, du siehst phantastisch aus!“ ruft die Frau. Eve nimmt das Kompliment geziert entgegen und erzählt dann, daß sie nun dank einer Erfindung ihres Freundes Multimillionärin ist.

Die Frau schluckt kurz und stellt dann die Frage: „Darf ich dich um einen letzten Gefallen bitten?“ Eve zückt sofort ihre Handtasche und fragt: „Klar, wieviel brauchen Sie?“ „Nein, nein“, sagt die Frau, „ich brauche kein Geld, aber könntest du ein letztes Mal das Geschirr waschen?“ Eve bricht in schallendes Gelächter aus – und wacht aus ihrem schönen Traum auf. Nichts ist wahr von alldem, was sie geträumt hat. Sie ist immer noch die schwarze Maid einer weißen südafrikanischen Madam und wird vermutlich nie in ihrem Leben etwas anderes sein.

Ihr Traum war zugleich der Alptraum vieler weißer Südafrikaner: Daß mit dem Machtwechsel es plötzlich vorbei sein könnte mit all den angenehmen Privilegien, festgehalten in Südafrikas berühmtestem Cartoon „Madam & Eve“, gezeichnet im Jahr 1993, als in Südafrika alles möglich und nichts gewiß war. Ein Jahr später wird der ANC in der ersten demokratischen Wahl einen haushohen Sieg erringen, Nelson Mandela zum ersten schwarzen Präsidenten gewählt werden – und die Weißen werden womöglich ohne Dienstboten dastehen.

Auch dieser Alptraum ist nicht wahr geworden. Millionen von schwarzen Hausangestellten kümmern sich noch immer um den Garten, bügeln und waschen und ziehen die Kinder groß. „Madam & Eve“ ist derweil zum Bestseller geworden und erscheint täglich in fast einem Dutzend Tageszeitungen, in einem Land, in dem ansonsten nicht viel gelesen wird. Bis heute gehen die beiden Frauengestalten gemeinsam durch alle Wirren der Transformationszeit. Sie haben etwas von einem alten Ehepaar, das sich haßt und auch irgendwie liebt und sich zum täglichen Überleben braucht.

Die Madam ist ein bißchen dumm, aber durchaus lernfähig, daß Schwarze auch Menschen sind und sogar Rechte haben, die Maid ist höchst durchtrieben und selbstbewußt und treibt oft ihre Späße mit der Madam – anderswo hätte sie es auch nicht besser. All das ist allenfalls ein bißchen übertrieben. Zwar gibt es mittlerweile unter der ANC-Regierung Gesetze, die die halbfeudalen Abhängigkeitsverhältnisse von Hauspersonal regeln und beispielsweise einen Mindestlohn vorschreiben.

„Wir haben oft gar nichts erfinden müssen“, sagt Rico Schacherl, der die beiden Figuren Woche für Woche zeichnet. Es ist eben auch wahr, daß manche Madams auch noch nach Jahrzehnten den Familiennamen ihrer Angestellten nicht wissen. Für ihre Erfinder indessen ist es die Geschichte eines fast märchenhaften Erfolges. Jedes Kind in Südafrika kennt die Strips, die sogar in nicht anglophilen Ländern wie Frankreich und Skandinavien verlegt werden und auch im Internet nachzulesen sind (www.madameve.co.za/).

Abzusehen war das 1992 nicht, als die drei Karikaturisten Stephen Francis, Harry Dugmore und Rico Schacherl plötzlich auf der Straße standen, weil der Verlag, für den sie gearbeitet hatten, Konkurs gemacht hatte. Man traf sich regelmäßig in Ricos Haus und träumte von einem halbpolitischen Cartoon, der die Wirren des Wechsels zum Thema haben sollte.

Nicht zufällig war es Francis, der die beste Idee hatte. Denn er war Ausländer, Amerikaner, und durfte nach seiner Heirat mit einer Südafrikanerin seine neue Familie am Kap kennenlernen – und deren Dienstboten. „Er mußte sehen, was für uns selbstverständlich war, diese einzigartige südafrikanische Konstellation“, sagt Rico und lacht noch immer im Rückblick. Überhaupt, das Lachen. Rico ist groß und dick und sehr südafrikanisch, obwohl er in Österreich geboren wurde. Mit zwei Jahren kam er nach Südafrika, das ist sein Land. In der ersten Zeitung, der sie ihr neues Produkt vorstellten, riß man es ihnen förmlich aus der Hand, ein paar Tage später war es gedruckt. Seither erscheint „Madam & Eve“ jede Woche in der linken Wochenzeitung Weekly Mail (heute Daily Mail & Guardian).

Südafrika hat sich seither enorm verändert, und natürlich auch „Madam & Eve“, das Personaltableau wurde ausgebaut. Da gibt es die zutiefst rassistische Mutter der Madam, „Mutter Anderson“, den Sohn Eric, politisch stets korrekt und trotzdem ein Verlierer, dessen schwarze Freundin Lizeca, den Dreikäsehoch Tandi, gelegentlich mal einen Freund von Eve – aber nie Männer, die wirklich eine Rolle spielen. Madam, die eigentlich Gwen Anderson heißt, und Eve Sisulu führen einen Frauenhaushalt.

Thabo Mbeki, Alptraum des Karikaturisten

Eine männliche Stimme allerdings schwebt über dem Land. Meist kommt sie aus den Union Buildings, dem Regierungsgebäude in Pretoria. Sie hat keine Gestalt, aber Präsident Nelson Mandela spielt eine wichtige Rolle, und die zwei Frauen dürfen mit ihm sogar auf Auslandsreisen gehen. Kein Thema bleibt ausgespart, das die Südafrikaner auf dem schwierigen Weg zur Regenbogennation bewegt: Cricket und Rugby, Korruption und Kriminalität, Action und Frauenrechte. Über „Madam & Eve“ wird ein Mikrokosmos Südafrikas eingefangen, und darin liegt auch das Erfolgsrezept. „Wir müssen immer die Gratwanderung zwischen reiner Unterhaltung und politischem Cartoon machen“, sagt Rico. Der Strip für diese Woche ist eine harte Nuß. Südafrikas nächster Präsident Thabo Mbeki tourt zwar unermüdlich im Wahlkampf, aber man weiß immer noch nicht viel über den Mann, der Mandelas Erbe antritt. „Der Mann ist ein Rätsel, und das ist ein Alptraum für einen Karikaturisten.“ Da ist es wieder, das Lachen. Was tun? Man schickt ihn zu einem Imageberater, doch auch der verzweifelt am Ende.

Schlechte Zeiten für „Madam & Eve“, jetzt, wo mit den zweiten demokratischen Wahlen die Herrschaft des ANC vermutlich für Jahrzehnte zementiert wird?

Nicht wirklich, meint Rico. Auch nach der ersten Wahl, 1994, als in Südafrika alles im Befreiungs- und Vereinigungstaumel lag, gab es einen Durchhänger für viele Zeichner, die zuvor kritisch gegenüber dem Apartheid-Regime waren, war doch plötzlich das Thema abhanden gekommen. Schlechte Zeiten für Satire, so schien es, und Humor ist im ANC nicht gerade weit verbreitet. Zum Glück werden auch im ANC Fehler gemacht, ist sogar Nelson Mandela nur ein Mensch. Und die Verhältnisse, sie sind noch längst nicht so, daß Madam und Eve überflüssig wären. „Heute ist es nicht mehr purer Rassismus, sondern vor allem der ökonomische Druck, der ,Madam & Eve‘ möglich und alltäglich macht“, sagt Rico. Doch, vorstellen kann er es sich, daß Südafrika eines Tages ganz anders aussehen könnte. Und lacht. Der Imageberater von Thabo Mbeki ist gerade gescheitert. Nur auf dem Papier natürlich.

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