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Die Härte, würde Rosa sagen

■ „Mau Mau“, ein Film von Uwe Schrader

Inge ist die Chefin, und sie trinkt zuviel. Heinz, ihr Ex, war mal Fußballer. Aber dann haben sie sein Knie kaputtgetreten, und jetzt hängt er rum, in Inges Striplokal. Ferdi hat Tätowierungen auf der Leiste, reißt gerne Frauen auf und mischt im Osthandel mit. Den großen Coup hat er noch nicht gelandet. Rosa, das Animiermädchen, kommt aus Salzgitter-Lebenstedt, da will sie nie wieder hin, und Inges schummrige Bar ist ihr auch ein paar Nummern zu klein. Doris, die Stripperin, hat sich schon als Kind gerne ausgezogen; jetzt tut sie's für Geld und zu Musik von Nina Hagen. Angezogen gehört sie eher zur schüchternen Sorte. Kowalik, der alte Pole, kriegt als Besitzer des „Mau Mau“ seine Prozente, und wenn er nicht einen religiösen Tick hätte, könnte Inge seinem Werben sogar nachgeben. Aber erst mal will er das „Mau Mau“ schließen: Verdrängungswettbewerb in Hamburgs Rotlichtbezirk.

Eigentlich eine schöne Geschichte: Mau Mau von Uwe Schrader könnte ein kleiner deutscher Film über richtige Menschen im richtigen Leben sein, und darüber, wie die Männer von den Frauen abhängig sind und die Frauen von ein bißchen Liebe und alle vom Geld. Ein Film über eine Welt, die nach Alkohol und Zigaretten stinkt, mit billigem Fummel und verkommenen Spelunken, lebenshungrigen Flippies und Möchtegern-Gaunern, mit großen Sprüchen, kleinen Träumen, schnellem Sex und dem alltäglichen Ausländerhaß.

Er könnte sie zeigen, die Gesichter der Frauen, die zu früh alt geworden sind, die Verklemmtheit der Machos, wenn der Suff überhand nimmt und die viel zu engen Verhältnisse für ein Leben in Würde: kleine Wohnungen mit häßlichen Tapeten, zu laute Musik in der Kneipe, und vor der Couchgarnitur läuft ewig der Fernseher. Selbst die Kinder spielen Striptease auf der Straße.

Und manchmal sieht man sie auch: unruhige, fahrige Bilder, aufgenommen mit der Handkamera, Bilder von Inge und Heinz, Rosa und Ferdi, von Menschen, die sich durchschlagen und betrogen werden um das kleine bißchen Glück und die deshalb selber betrügen. Das Überleben nicht als Kunst, sondern als Sisyphos-Arbeit: die Härte, würde Rosa sagen. Keine Tragödie, nicht einmal Melancholie.

Heinz, der Versager, guckt Fußball. Inge sitzt dabei, ausnahmsweise, sonst arbeitet sie rund um die Uhr. Vielleicht waren sie mal ein schönes Paar; hastig tauschen sie ein paar Zärtlichkeiten aus und schlafen miteinander, sind zufrieden, wenigstens dieses eine Mal. Dann ist es vorbei, Heinz guckt wieder Fußball, und Inge schuftet. Der Rest ist Müdigkeit.

Schade nur, daß Uwe Schrader über die vielen kleinen Geschichten, die er aufschnappt, die eine Geschichte verliert, die vielleicht zu erzählen sich lohnt. Hastig stolpert er von Höhepunkt zu Höhepunkt: Brieftaschenklau, Schlägerei, Anmache, Suff, Autodeal und so weiter. Im Bemühen, keine seiner abgetakelten Heldinnen und Helden zu bevorzugen, verliert er sie alle aus den Augen — Kino funktioniert nicht basisdemokratisch. Die Hektik, die seine Protagonisten umtreibt, verwechselt Schrader mit der Hektik der Bilder. Mit grob-verwackelten Einstellungen glaubt er, dem rauhen Alltag im Hamburger Kiez beikommen zu können: Aber die mimetische Angleichung und das quasi dokumentarische Festhalten garantieren eben keine Authentizität. Man bräuchte einen Blickwinkel.

Manchmal gehen die Frauen und der Pole Kowalik zu Pater Miguel, dem amerikanischen Prediger, der mit schnarrender Stimme für Jesus wirbt und für die Moral. Der Rotlichtbezirk hält Religionsstunde: eine bizarre Veranstaltung. Auf jedem der Gesichter kann man den Lebenshunger sehen und den Überdruß, den Trotz, die Sehnsucht. Schrader interessiert nur die Show. Für die Gäste hat er keine Augen.

chp

Uwe Schrader: Mau Mau , mit Marlen Diekhoff, Catrin Striebeck, Peter Franke, Peter Gavajda, Deutschland 1992, 92 Min.

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