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Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen

■ Deutscher Industrie- und Handelstag will Zwei-Klassen-Arbeitslosenstatistik

Berlin (taz) –Die Erwerbslosen Deutschlands sollen künftig in schnell vermittelbare und eher hoffnungslose Fälle unterteilt werden. Dies schlägt der Deutsche Industrie und Handelstag (DIHT) in einem Positionspapier zur geplanten Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vor. Die Zahl der Arbeitssuchenden würde durch die bisherige Statistik nämlich stark überzeichnet. In der Statistik solle künftig zwischen „arbeitsmarktfernen“ und „arbeitsmarktnahen“ Erwerbslosen unterschieden werden, erläuterte Ralf Weber vom DIHT. Den Unternehmern, die neue Kräfte suchen, sollten dann vordringlichst die „Arbeitsmarktnahen“ angeboten werden. Auf etwa zwei Millionen schätzt der DIHT diese Gruppe.

Zu den „Arbeitsmarktfernen" gehörten dagegen diejenigen, die langzeitarbeitslos oder gesundheitlich eingeschränkt sind, nur eine Zeit bis zur Rente überbrücken wollen oder Qualifikationsmängel aufweisen. Einige hunderttausend meldeten sich außerdem nur deswegen beim Arbeitsamt, weil sie beispielsweise vom Sozialamt dorthin geschickt würden, so Weber. Nicht zu unterschätzen sei auch die Zahl jener, die gar nicht wirklich an einem Job interessiert sind, weil sie beispielsweise hohe Schulden haben oder unterhaltspflichtig sind. Auch gebe es eine Gruppe der Teilzeitarbeitslosen, die keine langen Anfahrtswege in Kauf nehmen wollten. Eine bevorzugte Vermittlung der „Arbeitsmarktnahen“ würde das Vertrauen der Unternehmer in das Angebot der Arbeitsämter stärken, glaubt Weber.

Der Vorschlag einer Zwei-Klassen-Statistik wurde von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) gestern abgelehnt. Dies wäre „ausgesprochen schädlich“ für die 3,6 Millionen Arbeitslosen, sagte Karin Lüpke, Referatsleiterin bei der BA. Vor einigen Jahren habe es in einigen Arbeitsämtern Versuche gegeben, die Erwerbslosen nach der Vermittelbarkeit in zwei Kategorien zu unterteilen. Dies habe sich nicht bewährt. „Wir haben ja immer mehr auch gut qualifizierte Langzeitarbeitslose. Die würden bei einer solchen Klassifizierung dann abgestempelt.“

Der Arbeitsmarkt sei auch viel zu komplex für eine solche Unterteilung. In den neuen Bundesländern beispielsweise gebe es ältere Frauen, die gut qualifiziert, aber schon lange arbeitslos seien. Bei manchen scheitere die Jobsuche schlicht daran, daß sie sich kein Auto leisten können. Lüpke wies darauf hin, daß in den ersten sechs Monaten dieses Jahres immerhin 100.000 Langzeitarbeitslose vermittelt wurden, davon zwei Drittel ohne Lohnkostenzuschüsse. „Daran sieht man, daß die Leute gut genug sind, um von Unternehmen eingestellt zu werden.“ Barbara Dribbusch

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