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Die Grünen vor der Neuwahl in NRW„Unser Ziel ist klar Rot-Grün“

Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen über das Verhältnis der Grünen zur SPD und zur übrigen Konkurrenz. Und warum die Grünen in der Netzpoltik „durchdachter“ sind als die Piraten.

Was so hübsch zusammenpasst, soll man nicht trennen, meint Priggen. Bild: secretgarden / photocase.com
Interview von Hanna Gersmann

taz: Herr Priggen, vor der letzten Landtagswahl haben Sie mit Schwarz-Grün geliebäugelt – und jetzt?

Reiner Priggen: In Nordrhein-Westfalen haben wir mit der SPD gute Arbeit gemacht. Deshalb setzen wir auf Rot-Grün in gestärkter Form und gehen mit diesem Ziel in den Wahlkampf. Von Ausschließeritis halte ich gar nichts. Grüne sollten grundsätzlich mit jeder Partei koalieren können, mit der auch Sigmar Gabriel koalieren kann.

Aber CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen buhlt um Sie.

Das muss er schon machen. Was soll er denn sonst tun? Aber unser Ziel ist klar Rot-Grün.

Warum machen Sie keinen eigenständigen Wahlkampf?

Grüne sind im Herzen immer eigenständig. Aber diese Regierung arbeitet noch zusammen, soll ich da zeitgleich einen Wahlkampf gegen sie machen?

Bild: Die Grünen
Im Interview: REINER PRIGGEN

59, gelernter Ingenieur, ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag von Nordrhein-Westfalen, dem er seit Mai 2000 angehört. Zuvor war er Sprecher des Landesverbandes NRW und Kommunalpolitiker im Kreistag von Lippe. Er wird zu den Realos gezählt.

Sie könnten zumindest den Preis hochtreiben – und der SPD einen Baustopp von Kohlekraftwerken abringen.

Wir haben in NRW mehrere neue Kohlekraftwerke, deren Bau nicht mehr gestoppt werden kann. Zugleich bauen wir aber moderne, effiziente Gaskraftwerke und die Erneuerbaren Energien aus. Das können wir mit Rot-Grün am besten machen.

Rot-Grün war nicht immer kuschelig, von 1995 bis 2005 war es für die Grünen oft demütigend.

Demütigend ist falsch, anstrengend war es. Die SPD hat damals die eigenen Streitereien auf unserem Rücken ausgetragen. Das ist jetzt anders im Umgang miteinander und in der sachlichen Auseinandersetzung. Es ist insgesamt kollegialer geworden.

Weil zwei Frauen Spitze waren?

Das allein rettet nicht die Welt, aber es hat geholfen. Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann sind ein sehr konstruktives Doppel.

So unaufgeregt? Krafts Liebäugelei mit der FDP hat ihnen doch auch nicht gepasst.

Das Verhältnis zwischen FDP und Grünen war traditionell beschwerlich. Mit Fraktionschef Gerhard Papke haben wir zuletzt sachliche Gespräche geführt. Auch für den kommenden Montag waren wir zu Beratungen über Einsparpotenziale verabredet. Aber Papke hat in den letzten Tagen medial die Backen so stark aufgeblasen, dass er das Gesicht verloren hätte, wenn sich die FDP in der zweiten Lesung nicht gegen den Haushalt gestellt hätte. Er hat sich schlicht verzockt.

Sie sind doch selbst schuld, sie hätten auch auf die Linken zugehen können, die ihre Zustimmung vor allem von Geld für ein landesweites Sozialticket abhängig gemacht haben.

Wir haben das Ticket schon jetzt und zahlen jedes Jahr 30 Millionen Euro dafür. Wir waren bereit, den Linken entgegenzukommen und bis zu 20 Millionen Euro draufzulegen. Aber sie haben auf irrationale Forderungen beharrt. Sie wollten das flächendeckende Sozialticket für 15 Euro. Das hätte 250 Millionen gekostet, und das war nur ein Teil ihrer Forderungen.

Nun müssen Sie sich mit den Piraten auseinandersetzen. Wie verhindern Sie, dass ein Teil der Grünen zu den Piraten geht?

Es gibt einen Hype um sie, aber es ist noch nicht zu erkennen, was sie in NRW eigentlich machen wollen. Wir sind in der Netzpolitik durchdachter.

Was bieten Sie?

Och Gott … Das ist ein so großes Thema, dass es nicht in drei Sätzen umrissen ist. Nehmen wir das Urheberrecht, da muss man sorgfältig rangehen und eine Modernisierung vorantreiben, die die Interessen der Urheber und der Nutzer im Blick behält. Aber das ist nur ein Teil der Debatte. Für uns geht es um eine neue politische Kultur, um Transparenz, Beteiligung und Offenheit, da spielt das Internet eine zentrale Rolle.

Ist die NRW-Wahl eine Schicksalswahl für Berlin?

Wenn SPD und Grüne ein richtig starkes Mandat bekommen, ist das ein Hinweis. Und fliegt die FDP aus mehreren Landtagen, muss sich Merkel fragen, was der Koalitionspartner noch wert ist.

Landen Grüne bei 18 Prozent?

Wir nehmen in Demut, was Wählerinnen und Wähler uns geben.

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14 Kommentare

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  • F
    Fundi

    Schön, wenn Realos auch mal von der Realität eingeholt werden. Prognose unter 10%, und damit aussen vor. Wer Ausgrenzung mitmacht, den Büttel für Hanni in zum Schein geführten Koalitionsverhandlungen mit der Linken macht, der ist nicht rechts, nicht links, nicht hinten oder gar vorn, sondern nur noch Geschichte.

  • T
    Theo

    Ach, wie wird mir warm ums Herz bei so viel heißer Luft. Wer solche Blender wählt, ist selbst schuld.

  • ES
    Ein Südländer (BY)

    Zitat des Interviewten:

    »Es gibt einen Hype um sie, aber es ist noch nicht zu erkennen, was sie in NRW eigentlich machen wollen. Wir sind in der Netzpolitik durchdachter.«

     

    Pardon, Herr Priggen (kennt den jemand?), aber da spricht der Angstschweiß aus Ihnen.

  • B
    bee

    Durchdachte Netzpolitik? Für Reiner Priggen hieß das bis jetzt: Öffnungszeiten im Internet.

     

    Für manche Leute ist jeder Tag eine verpasste Chance, einfach mal die Klappe zu halten.

  • T
    tonikal

    Falsche Semantik in der Einleitung. Die Grünen können nicht durchdachter sein; nur ihre Positionen können durchdachter sein. Sie verwechseln Subjekt und Objekt.

  • R
    reblek

    "Grüne sollten grundsätzlich mit jeder Partei koalieren können, mit der auch Sigmar Gabriel koalieren kann." - Deshalb sehen viele Mitmenschen den Unterschied zwischen sogenannt roter SPD und sogenannten Grünen nicht.

    "Demütigend ist falsch, anstrengend war es." - Selbstverständlich kann Priggen nicht zugeben, dass vor allem Clement seinen Laden ständig gedemütigt hat. Ich erinnere nur an Garzweiler und den Dortmunder Flughafen. Aber was hat ein politisches Statement mit der Realität zu tun?

    "Wir nehmen in Demut, was Wählerinnen und Wähler uns geben." - Es sollte Pastor werden.

  • JK
    Juergen K.

    An das Verfassungsgericht:

     

    Eilantrag:

     

    Nach Artikel 54, Absatz 3 wird der Bundespräsident vom Bundestag und von den Volksvertretungen der Länder zu bestimmenden Mitgliedern der Bundesversammlung gewählt.

     

    Nordrhein-Wesfalen besitzt keine Volksvertretung.

     

    Daher ist die Wahl eines Bundespräsidenten nicht zulässig.

  • T
    t.h.wolff

    Soso, die Grünen können also mit allen Parteien koalieren, mit denen die NeoCon-SPD auch koalieren kann. Da schwingt mehr als ein Fünkchen Wahrheit mit, denn schließlich gibt es den Atomausstieg mittlerweile auch bei "Mutti". Ansonsten ist Grün seit geraumer Zeit ohnehin eher die politische Vertretung der Agenda-profitierenden großbürgerlichen Mitte, die sich nicht einbildet "gegen die Finanzmärkte regieren zu können". Nach der rotlackierten CDU gibt es jetzt also noch eine weitere überflüssige Partei im beruhigenden Sonnenblumen-Design dazu. Ganz klar, daß wache junge Leute sich in Richtung Piraten absetzen. Mehr politische Substanz als 5% haben die Grünen ohnehin nicht mehr, seit sie sich nicht einmal mehr zum Afghanistan-Mandat eine Meinung leisten wollen.

  • M
    Matze38

    wie sagt man so schön, spd und grüne linke blinken, recht abbiegen, ich wähle sie nie wieder, solange die realos und seeheimer das kommando in diesen parteien haben. das hat alles nix mit glaubwürdiger politik zu tun.

    ich ziehe meinen hut vor den linken, das sie den schritt gemacht haben, trotz risiko nicht wieder rein gewählt zu werden. glaubwürdigkeit macht sich auf dauer immer bezahlt, das sollte sich dei linke gut einprägen, die grünen sind im fallen und das wird noch weiter gehen, bin ich überzeugt.

    diese heuchelei von sozial und ökologisch dient nur dem machterhalt, aber nicht dem menschen und die werden das erkennen.

  • A
    Andreas

    Solange man Diskussionsforen in den Medien, wie auch in der Politik sucht, solange interessierte Menschen nur unter sich diskutieren, solange ist ganz Deutschland in der Netzpolitik nicht angekommen. Zuviele scheuen sich noch der Meinung der Öffentlichkeit.

  • P
    peter49

    Im Gegensatz zu den Piraten haben die Grünen ein komplettes Programm, sagen die Grünen und Priggen. Bleibt allerdings die Frage, wo halten sie sich denn an ihr Programm ? In NRW auf lokaler Ebene gilt doch vielfach: Hauptsache wir haben den Posten eines Bürgermeisters. (Beispielsweise in Recklinghausen, wo selbst massives Bäumefällen den Gründen schon kein Wort des Protestes mehr entlocken kann)

    Und im Saarland ?

    Und in Hamburg ?

    Gar in BaWü ?

    Ich bin mit den Grünen aufgewachsen - aber jetzt (im Alter jenseits der 60) wüsste ich keine Gründe mehr, grün zu wählen.

    Ja, Herr Priggen- da bleibendie Piraten - auch ohne Programm (was ja so garnicht stimmt).

  • B
    Bernd

    Wenn die GRÜNEN bei der Netzpolitik auf den lieben Gott hoffen, dann sollten Sie die Zukunft doch lieber den PIRATEN überlassen.

  • KE
    Komische Einleitung

    In der Einleitung heisst es, er sage etwas dazu, warum die Grünen in der Netzpoltik durchdachter seien als die Piraten.

     

    Und was kommt?

     

    Ein kurzer platter Spruch bezüglich „Rechte der Urheber“ und das wars. Auch sonst war das Interview das lesen nicht wert.

  • F
    fkw

    "Wir sind in der Netzpolitik durchdachter.

     

    Was bieten Sie?

     

    Och Gott … Das ist ein so großes Thema, dass es nicht in drei Sätzen umrissen ist."

     

    Na, das ist ja mal eine durchdachte und überzeugende Antwort...