: Die Grünen bleiben links
■ In zwei Monaten letztes Gefecht für ökologische Reformpartei / „Realos“ und „Aufbruch“ blieben in der Minderheit
So hatten sich „Realos“ und „Aufbruch“ die von ihnen angestrebte Schicksalsentscheidung über die Zukunft der Grünen nicht vorgestellt: Die Delegierten der Basis wiesen ihren Führungsanspruch hin zur politisch geläuterten, ökologischen Reformpartei auf der Bundesversammlung am Wochenende in Hagen schlicht zurück. Da mochte Antje Vollmer noch so klagen, der Parteitag verkenne die Wirklichkeit, und Joschka Fischer noch so zürnen, die Lage sei „extrem beschissen“: Die Grünen bleiben eine Partei, die sich nicht in eine Richtung polarisieren läßt.
Das bewiesen sie bei der Abstimmung über die Deutschlandpolitik, wo der „Realo/Aufbruch„-Flügel eine große Mehrheit erzielte, ebenso wie beim Abgrenzungsbeschluß zur PDS, wo die von manchen „Realos“ gern gesehene Ausgrenzung sozialistischer Positionen abgewiesen wurde. Mit diesem Empfinden für den innerparteilichen Ausgleich haben die Grünen seit zehn Jahren viele Krisen gemeistert. Ob sie auch den ganz neuen Herausforderungen einer bald gesamtdeutschen Parteienlandschaft gewachsen sein werden, muß sich erst noch zeigen.
Vorerst hat sich eine große Mehrheit für den Erhalt des linksorientierten Bündnischarakters ganz verschiedener Strömungen ausgesprochen. Über den Erfolg werden auch die Wähler bei den Landtagswahlen in den nächsten Wochen entscheiden. Die meisten Delegierten fühlten sich bei der Abstimmung über die richtungsweisende Präambel für das Bundestagswahlprogramm von den Parteiflügeln „Realos/Aufbruch“ und „Linke“ benutzt und stimmten einfach für eine dritte Variante, die von einem Kreisverband und nicht von den prominenten Strategen eingebracht worden war.
Daß darin eine antikapitalistische Stoßrichtung vorherrscht, entspricht der Parteitradition und machte den Linken die Zustimmung leicht. „Realos“ und „Aufbruch“ blieben in der Minderheit und waren erschüttert. Sie waren sich ihrer Mehrheit so sicher gewesen, daß sie den dritten Antrag gar nicht zur Kenntnis genommen hatten. Solche Arroganz gegenüber der Basis hat sich bei den Grünen aber noch nie ausgezahlt.
Bezeichnend war dann die Reaktion der Unterlegenen: Sie zogen erst einmal aus und ließen später den Parteitag über Stunden allein beraten, um Wunden zu lecken und über Konsequenzen zu beraten. Nun soll bei den Vorstandswahlen auf dem Parteitag in zwei Monaten zum letzten Gefecht für die „ökologische Reformpartei“ geblasen werden. Wenn es wieder nicht klappt, ist schon die Neugründung einer rein ökologisch ausgerichteten gesamtdeutschen Partei jenseits traditioneller Rechts-Links-Muster ins Auge gefaßt. Die Linken könnten ihren Traum vom Sozialismus dann ja in der PDS zu verwirklichen suchen, schlug Antje Vollmer vor.
Holger Schmale
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