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Weltbank: Tanz der Vampire, Teil 5Die Grüne Revolution

■ Die Philippinen sind Vorreiter bei der Agro–Modernisierung / Zwei Drittel der Landbevölkerung leben unter dem Existenzminimum

122 Jahre lang haben die Philippinen Grundnahrungsmittel, vor allem Reis, importiert. Im Jahr 1979 wurde auf der Inselrepublik zum ersten Mal soviel Reis geerntet, daß sogar noch einiges ausgeführt werden konnte. In weniger als 15 Jahren war die nationale Reisproduktion verdoppelt, der Ertrag pro Hektar zum Teil verdreifacht worden. Die Saat der „Grünen Revolution“ gehe auf, frohlockten Wissenschaftler und Entwicklungsmanager, die Züchtung spezieller Hochertragssorten und die Verbreitung moderner Agrartechnologien seit den sechziger Jahren trage nun Früchte. In einer großen Zahl der Länder der „Dritten Welt“ hat der landwirtschaftliche Fortschritt ähnliche Sprünge gemacht, stiegen die Erntemengen schneller als das rapide Bevölkerungswachstum. Doch auch heute noch bestellen vor allem viele kleinere Bauern ihre Felder mit traditionellen Sorten, verzichten auf Düngemittel und moderne Maschinen. Um auch sie zu erreichen, werden immer neue „Wundersorten“ entwickelt, immer neue Programme zu ihrer Verbreitung ausgearbeitet. Die „Grüne Revolution“ geht weiter, auch wenn ihre Revolu tionsführer, allen voran die Weltbank und die Internationale Ernährungsorganisation FAO, dieses Wort nicht mehr so gerne hören. Denn von der ursprünglichen Rhetorik, daß Hunger und Armut in zwei Jahrzehnten abgeschafft seien, ist wenig geblieben. Heute, etwas mehr als zwei Jahrzehnte nach diesen Verheißungen, ist die Armut verbreiteter denn je. Allein auf den Philippinen, dem asiati schen Epizentrum der „Grünen Revolution“, leben zwei Drittel der Landbevölkerung unter dem Existenzminimum, leiden drei Viertel aller Kleinkinder an Mangelernährung. Die Verbreitung moderner Anbaumethoden hat das Problem, ausreichend Nahrungsmittel für eine ständig wachsende Bevölkerung zu sichern, rein rechnerisch gelöst. Aber auch die Vorrechner haben immer mehr Mühe, die Frage vom Tisch zu reden, wessen Kinder die „Grüne Revolution“ frißt, und wer dabei satt wird. Im Geist ihrer Schöpfer war die „Grüne Revolution“ auch weniger ein humanitäres Anliegen als vielmehr ein Konzept, um vor allem den asiatischen Kontinent vor der „Roten Revolution“ zu bewahren. 1959, zwischen den Kriegen von Korea und Vietnam, als die Domino–Theorie gerade Hochkonjunktur feierte, schufen die Rockefeller– und die Ford– Foundation gemeinsam das Internationale Reis–Forschungsinstitut (IRRI). 50 Kilometer südlich von Manila brüten dort seitdem einige hundert Wissenschaftler aus allen Teilen der Welt an immer neuen Wundersorten, die, an das tropische Klima angepaßt, immer noch mehr Körner auf den Halm bringen sollen. Nach der Kuba–Krise verstärkte die Rockefeller–Stiftung ihr Engagement auch in Lateinamerika. In Mexiko, Kolumbien und Nicaragua wurden durch das IRRI ähnliche Forschungsinstitute gegründet, dort vor allem für Mais und Weizen. Und auch für die Verbreitung der neuen Wundersaaten ließen die Rockefellers einiges springen. Allein in Indien stifteten sie 1960, als der Dollar noch einiges wert war, über 10 Millionen davon für landwirtschaftliche Programme. Weltbank denkt... Mit der Gründung Für die nationalen Regierungen lag das Bestechende dieser Art von Entwicklungsprogrammen darin, daß sie die Landbevölkerung mittels Ertragssteigerungen zu beruhigen versprach, ohne an den Privilegien der reichen Elite zu rühren. Der Weltbank–Technokrat Dale Hill schrieb 1979: „Einer der attraktivsten Aspekte (der „Grünen Revolution“) ist, daß sie all das erreicht, ohne einen Teil der Bevölkerung zum Feind zu machen, wie das etwa eine Landreform tun würde.“ Mittlerweile ist auch bei der Weltbank durchgesickert, daß das Versagen der „Grünen Revolution“ zum großen Teil mit den anachronistischen Feudalstrukturen zu tun hat. Beispiel Philippinen: 90 Prozent des fruchtbaren Bodens sind in den Händen einiger weniger. Die Hälfte der Bauern aber lebt von weniger als zwei Hektar. Die meisten von ihnen müssen bis zur Hälfte der Ernte als Pacht an den Großgrundbesitzer zahlen. Sie leben von der Hand in den Mund, an Ersparnisse ist da nicht zu denken. Die neuen Sorten aber bringen nur dann einen höheren Ertrag, wenn sie ausreichend bewässert, mit Dünger versorgt und wegen ihrer hohen Pilzanfälligkeit mit Pestiziden vergiftet werden. Das dazu nötige Geld sowie die Bewäs serungsanlagen haben nur die ohnehin schon wohlhabenderen Bauern, und deren Erntesteigerungen drücken die Reis–Preise nach unten. Für die Mehrzahl der Kleinbauern ist allein in den siebziger Jahren das Realeinkommen um ein Drittel gesunken. Daran haben auch die unzähligen Kreditprogramme nichts geändert, die unter der Regie der Rockefeller–Epigonen FAO, Weltbank und UNO–Entwicklungsorganisation ausgestreut wurden. Mit geliehenem Geld sollte auch dem letzten Urwaldbauern der Gebrauch von Agrar– Chemie schmackhaft gemacht werden. Doch nach jeweils einem Jahr sind alle diese Versuche weitgehend zusammengebrochen. Nur etwa zwei von zehn Bauern waren in der Lage, diese Kredite zurückzuzahlen. Fast alle Familien auf dem Land sind heute tief verschuldet, das Kreditsystem ist vollkommen blockiert. ..Feudalismus lenkt Denn die am Forschungsinstitut bei Manila unter Idealbedingungen erprobten Wundersaaten bringen in den meist bergigen Regionen, wo die Mehrzahl der Kleinbauern lebt, nur Verluste. Der ausgebrachte Dünger wird schon vom ersten Sommerregen von den durch jahrzehntelangen Raubbau ausgelaugten Feldern gespült und durchschnittlich 20 Taifune im Jahr zerstören etwa ein Drittel jeder Ernte. Was dann noch übrigbleibt, reicht kaum zum Leben, geschweige denn zur Rückzahlung der aufgenommenen Kredite. Doch die Taifune gehen nicht nur über die Felder. 1983 und 1987 etwa wurden bis zu 80 Prozent der Hütten weggeblasen. Um etwas Geld zum Überleben zu bekommen, mußten die Familien zu den privaten Geldverleihern gehen, da die Landbank wegen der ausstehenden Schulden auch in Notfällen nichts mehr herausrückt. Und die Geldverleiher nehmen zehn Prozent Zinsen im Monat. Es gibt keine Statistik, wieviele Bauern durch Überschuldung ihr letztes Stück Land verloren haben. Aber die Zahl der landlosen Wanderarbeiter ist seit Beginn der Grünen Revolution von zehn auf fast 40 Prozent der Landbevölkerung hochgeschnellt. Selbst die mittleren Bauern, die bis zu sieben Hektar bestellen (zum Vergleich: in der BRD liegt die Mindestgröße pro Hof bei 16 Hektar), kommen zunehmend in die Mühlen steigender Preise für Düngemittel und Pestizide. Seit 1976 stiegen die Produktionskosten dreimal so schnell wie die Reispreise. Selbst von einer guten Ernte geht mindestens ein Drittel des Erlöses an die Chemie– Lieferanten, in erster Linie an Shell, Bayer und die philippinische PPI, die zusammen 60 Prozent des nationalen Marktes kontrollieren. Allein der Verbrauch von Kunstdünger ist seit den sechziger Jahren um mehr als 1.000 Prozent gestiegen. Die Manager der „Grünen Revolution“ arbeiten Hand in Hand mit den Chemie– Multis. Nicht nur, daß in den Entwicklungsprogrammen deren Produkte verteilt werden, die Weltbank beklagt sich auch noch gelegentlich, daß mit Pestiziden immer noch zu sparsam umgegangen werde. Dabei sind heute schon fast alle philippinischen Felder drogenabhängig. Die Chemieflut der Kreditprogramme hat nicht nur die Pflanzenschädlinge, sondern auch deren natürliche Feinde ausgerottet. Nach kurzer Zeit aber waren die Schädlinge gegen die verschiedenen Mittelchen resistent, so daß immer neue, schärfere Gifte eingesetzt werden mußten. Einige der auf den Philippinen heute üblichen Pestizide sind in Europa wegen ihrer Gefährlichkeit längst verboten. Seit Anfang der achtziger Jahre wird nun auch unter den modernisierungsgläubigen philippinischen Wissenschaftlern die Kritik an der IRRI–Forschung immer lauter, da sie rein auf kapital– und chemieintensive Landwirtschaft ausgerichtet sei. In einem Feldversuch auf der Insel Leyte zeigte sich, daß die Reis–Produktivität auch mit geringeren Mitteln drastisch gesteigert werden kann. Allein durch arbeitsintensive Maßnahmen wie das Einhalten exakter Pflanzabstände, mehrmaliges Unkrautjäten und minimalem Düngereinsatz wurde dort der Ertrag pro Hektar mehr als verdoppelt. Die Demonstrationsfelder daneben, wo Agrarwissenschaftler unter denselben Umweltbedingungen, aber mit allen Errungenschaften der modernen Agrarchemie angebaut hatten, brachten ganze fünf Prozent mehr Gewinn - obwohl achtmal soviel Produktionskosten vorgelegt wurden. Doch der Weg zurück ist weit gehend versperrt. Mehr als 80 Prozent der philippinischen Bauern pflanzen mittlerweile Hochertragssorten, obwohl nur ein Bruchteil davon auch die nötigen Produktionskosten aufbringen kann, damit die Saaten auch tatsächlich höheren Ertrag bringen. Die traditionellen Sorten, in Jahrhunderten gewachsen und widerstandsfähig geworden, sind bis auf einige wenige verloren gegangen. Etliche hundert werden vom Reis– Forschungsinstitut in einer Gen– bank unter Verschluß gehalten. Die Hochertragssorten halten nur fünf bis sechs Jahre, dann müssen sie bei den Züchtern neu gekauft werden. Das Geschäft mit den Saaten rollt erst an. Die Chemie– und Agroindustrie darf sich freuen.

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