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Die Grenze der ganz äußeren Haltung

■ Die Hamburger Band „Prollhead“ liefert diese Woche ihr zweites Album

„Was ihr wollt, wir geben's euch - ihr wollt Rock: Hartrock!“. Mit derartigen Sozialität stiftenden Parolen wenden sich die vier Hamburger von Prollhead! auf ihrem zweiten, diese Woche erscheinenden Album In Jeans ans Volk.

„Ehrliche Musik“ verspricht Sänger Andreas Schmidt den Fans und gibt sich ironisch stolz, damit ein Zeichen gesetzt zu haben. Zum Beispiel gegen Techno: „Deutschland ist gestraft mit Techno, das ist deutschspezifisch wie das Dritte Reich.“ Da scheint es doch begrüßenswert, daß sich einige noch nicht Mutierte auf bodenständigen „Fuchsschwanz-Rock“ zurückbesinnen.

Leider bringt das musikalisch nichts Neues und neigt eher zum Langweilen. Wird der Retro-Rock aber mit einer - revivalmäßig sowieso obligatorischen - selbstironischen Attitüde gespickt, lassen sich damit doch einige nette Effekte erzielen.

So finden sich auf In Jeans zum Beispiel spaßhafte Textfetzen wie etwa die Mixtur aus prolliger Mundart und privatistischer Erkenntnistheorie in „Sie ist heiß“: „Die Disco laut und trotzdem lau/ Mir war klar, ich brauch jetzt 'ne Frau!“. Plausibel prollig auch unverblümte Absagen an ökologische Korrektheit wie „Er braucht fast zwanzig Liter, doch das ist mir egal/ Ich fahr das geilste Auto, 'nen Opel Admiral“.

In einem Kontext derartig alltäglich-asozialer Situationskomik erstaunt nur der Song „Krieg ist die Hölle“ (Refrain: „Streß, Nerv, Extremsituation/ Krieg ist die Hölle, mein Sohn“). Daß Gitarrist Ronnie Henseler dazu ernsthaft meint, das eher unernst gemeinte Lied könne vielleicht doch zum Nachdenken anregen, regt zum Nachdenken an.

Denn darin zeigt sich ein interner Widerspruch der Pseudo-Prolls: Einerseits tatsächliche Prolligkeit propagierend und praktizierend, andererseits scherzig-selbstironisch relativiert (Kommentar zum busenlastigen Cover: „Es schafft Arbeitsplätze für Frauen, das ist sehr wichtig“). Dann aber doch irgendwie ernst gemeint. Der potentiell programmatische Bandname - „Proll mit Kopf“ - verwischt sich dann eher zu einem “Weder Proll noch Kopf“.

In Verbindung mit der musikalischen Spannungslosigkeit ist das vor allem tonträgertechnisch nur bedingt unterhaltsam und man könnte kalauern, auch In Jeans sei damit in die Hose gegangen. Solch kleinkarierter Kritik haben Prollhead! aber mit folgender, böser Retourkutsche vorgebeugt: „Hey, Du lahmes Spießerschwein/ Du wirst nie einer von uns sein!“. Na gut.

Christian Schuldt

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