: Die Gleichschaltung des Lichts
■ Ersatz für die gelben DDR-Straßenlampen in Friedrichstadt
In die finsteren Bereiche der nächtlichen Friedrichstadt soll wieder Licht strahlen. Anlaß zu dieser Hoffnung für alle, die etwa in der Französischen Straße, der Behrenstraße oder der Straße Unter den Linden mangels heller oder gar fehlender Straßenbeleuchtung über Fußfallen und in Schlaglöcher stolpern, gibt das neue Beleuchtungskonzept der Senatsbauverwaltung, das gestern Senatsbaudirektor Hans Stimmann der Presse vorstellte. Im Rahmen der Rekonstruktion der Friedrichstadt und des Ausbaus der Straßen und Wege ist geplant, „sukzessive“ die 1.500 gelbfarbenen Straßenlaternen in der Ostberliner Mitte, aber auch die schlechten Lichtquellen entlang der Kreuzberger Straßen auszutauschen. Die Stadt „wachse“ dergestalt durch das Licht zusammen, prophezeite Stimmann.
Der städtebaulichen Bedeutung der historischen Stadtmitte, so der Senatsbaudirektor, werde mit einem ästhetisch modernen und technisch „brillanten“ Beleuchtungssystem begegnet. „Mit dem neuen Konzept“, erklärte Stimmann, „geht es darum, daß die Vielzahl unterschiedlicher Laternentypen beseitigt wird, um an deren Stelle eine einzige Leuchtenfamilie zu schaffen.“ Die neuen Straßenlaternen entsprächen sowohl den Anforderungen eines zeitgenössischen Designs als auch denen der Energieeinsparung. Die Friedrichstadt benötige dies zur Steigerung seiner metropolitanen Atmosphäre. Stimmann: „In dem gelben Licht erscheint alles wie tot.“
Der Prototyp der neuen Laterne, betonte Heinrich Krahmer, Chef von „Lichtdesign“ (Köln), die das Lichtkonzept entwickelte, ist eine sechs Meter hohe Philips-Aufsatzleuchte mit einem gläseren Zylinder, „in dem sich eine drahtlose Induktionslampe mit weißem Licht befindet“. Die Lampenform bilde ein gläsernes Prisma, das unterschiedliche Abstrahlungen zulasse, der bienenkorbartige Glaskörper werde von einem Edelstahl- und Glasring umschlossen. Entsprechend des Straßenprofils und der Art der Beleuchtung kann die neue Lampe an Spannseilen gehängt, aufgeständert oder von einem Mast getragen werden, sagte Krahmer. Die Kosten pro Lampe: rund 5.000 Mark.
Die Friedrichstadt, erinnerte Stimmann, zählt in Berlin zu dem Quartier, in dem 1882 – also vor 111 Jahren – die ersten elektrischen Straßenlampen und Bogenleuchten brannten. 1882 erhellte die Kochstraße die erste elektrische Lampe, im September desselben Jahres glühten Bogenlampen über der Leipziger Straße und am Potsdamer Platz. Spezielle Lichtkonzepte wurden für die großen Plätze und Achsen Berlins entworfen. Noch heute verunziert beispielsweise Albert Speers Lichtplanung die Straße des 17. Juni. Die Systemkonkurrenz beider Stadthälften produzierte nach 1945 im Straßenmobiliar zwei Straßenbeleuchtungen. In Ost-Berlin entstanden die Betonmaste mit dem gelben Aufsatzlicht der Natriumdampf-Hochdrucklampen. West-Berlin konterte mit „pluralistischen“ Mischformen in Peitschenform, Kandelabern oder verspielten Masten, die zudem elektrisch oder mit Gas betrieben wurden.
Das zeitgemäße Lichtkonzept der Senatsbauverwaltung indessen „erstrahlt“ so modern nicht, wie Kritiker der Kölner Designergruppe vorwerfen. Heute, so ihr Argument, lassen Lichtplanungen die Lichtquelle verschwinden. Nur das Objekt werde erhellt. Zudem sei das Konzept auf Gleichschaltung der Lichtsysteme angelegt. Überall dieselben Leuchten, das „erscheine“ doch unterbelichtet. rola
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