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Die Gitarre Gottes

■ Um den 67jährigen Link Wray ranken sich zahlreiche Rock 'n' Roll-Legenden

Der Mann weiß, wofür er steht. Seine Auftritte beginnt und beschließt Link Wray immer noch mit „Rumble“, jenem imposanten Instrumental, mit dem er 1957 die Verzerrung in den Rock 'n' Roll einführte. Gegen diesen machtvoll ausholenden Schlag mit der Bärentatze wirken die Powerriffs seiner musikalischen Enkel wie Streichel- einheiten. Auf die Idee, Instrumentals zu spielen, ist Wray nicht ganz freiwillig gekommen. Nachdem er aus dem Korea-Krieg heimgekehrt war, litt er an Tuberkulose. Ein Lungenflügel mußte entfernt werden, und die Ärzte rieten ihm, vorerst nicht mehr zu singen. Ein schillerndes Mosaiksteinchen im Mythos Rock 'n' Roll.

Ein anderes besagt, daß Link Wrays Großvater 113 Jahre alt geworden ist. Was niemand bezweifeln wird, der den Musiker Anfang dieses Jahres im Logo erlebt hat. Wray, in dessen Adern das Blut der amerikanischen Ureinwohner fließt, ist inzwischen 67 Jahre alt. Aber seine Lederjacke, seine Sonnenbrille und seine zum Hahnenkamm getürmte Tolle trägt er immer noch mit Stolz. Und ganz nebenbei spielt er seine Instrumentals noch heute mit unglaublicher Chuzpe und Phonstärke. Neben „Rumble“ raspelte er an der Grindelallee natürlich auch die nicht minder legendären Surfnummern „The Swag“ und „Ace of Spades“.

Alle diese Stücke hatte Wray bis Mitte der Sechziger geschrieben. Danach durchlitt er schwere Zeiten, in denen er zeitweise kaum genug Geld fürs Essen zusammenkratzen konnte – ein Paradebeispiel dafür, daß „legendär“ selten „pekuniär erfolgreich“ meint. Anfang der Siebziger hatte Wray ein Comeback im großen Stil bei der Polydor, doch an alte Erfolge konnte er mit dem zeitlosen Rhythm 'n' Blues nicht anschließen. Vielleicht war es ein Fehler, daß der visionäre Instrumentalist irgendwann wieder angefangen hat zu singen. Auch Indian Child, sein letztes, 1993 in der Wahlheimat Dänemark eingespieltes Album, kann nicht wirklich verzaubern.

Egal. Wenn Link Wray live Steppenwolfs „Born To Be Wild“ zerjammt oder ein Elvis-Medley singt, geht das in Ordnung. Denn das sind nur Verschnaufpausen zwischen jenen Songs von mythischer Größe, für die ihm ein eigenes Kapitel in der Geschichte des Rock 'n' Roll eingeräumt werden muß. Und gerne hält der freundliche Herr seine Gitarre ins Publikum, damit die jungen Menschen auch einmal darüberstreichen können. Ein bißchen ist das, als gebe man Gott die Hand.

Christian Buß

mit Space Hobos und DM Bob & the Deficits: Mi, 25. Dezember, 21 Uhr, Markthalle

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