: Die Getränkedose eine Preziose
Weil die Geschäfte zu viele Getränke in Einwegverpackungen verkaufen, muss die Regierung bald ein Pfand von 50 Pfennig pro Dose erheben lassen. Diese Lösung mag aber keiner, alle suchen nach einem Ausweg – auch die Umweltverbände
von MAIKE RADEMAKER
Love-Parader und Karnevalisten, die eifrig Dosen sammeln – das könnte nächstes Jahr Realität werden. Dann sollen auf Getränkedosen 50 Pfennig Pfand aufgeschlagen werden – wenn sich Bundesumweltministerium, Wirtschaftsverbände und Umweltschutzverbände nicht auf ein anderes System einigen, mit dem die Verpackungsverordnung einzuhalten ist.
Gespräche zwischen den Beteiligten, statt des Zwangspfands eine andere Lösung zu finden, platzten Mitte Juni. Die Industrieverbände spielten nicht mit. Deshalb will und muss Bundesumweltminister Jürgen Trittin 2001 das Zwangspfand einführen.
Die Verordnung aus dem Jahr 1991 schreibt vor, dass Einwegverpackungen mit einem Pfand von 50 Pfennig belegt werden müssen, wenn sich mehrfach nachweisen lässt, dass die Mehrwegquote von 72 Prozent nicht eingehalten werden kann. Ende diesen Jahres erwartet das Ministerium das Ergebnis einer Nacherhebung, die wohl zeigen wird, dass die Mehrwegquote tatsächlich knapp verfehlt wird. Schuld daran ist vornehmlich der Zuwachs bei Bier und Wasser in Dosen und Kunststoffflaschen. Allein beim Bier ist Abfüllung in Dosen um 10 Prozent gestiegen.
Umweltschutz- und Verbraucherverbände wenden sich aber gegen das Zwangspfand und schlagen statt dessen eine Abgabe vor. Sie befürchten, dass der Einzelhandel nicht bereit ist, neben dem üblichen Rückgabesystem für Mehrwegflaschen ein zweites für Dosen einzurichten. „Langfristig muss damit gerechnet werden, dass nur ein System überlebt – nämlich das Pfandsystem zu Lasten des Mehrwegsystems“, sagt Abfallexperte Walter Jungbauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Dosen könnten nach der Rückgabe leichter maschinell zerdrückt und geschreddert werden, während das Mehrwegsystem auch Personalkosten verursacht. Das Ziel, die Produktion von Einwegverpackungen einzudämmen, würde durch ein Zwangspfand verfehlt. Eine Abgabe würde Einwegverpackungen für den Verbraucher eine Verteuerung bedeuten, aber den Einzelhandel nicht in Schwierigkeiten bringen. Von der Verteuerung erhoffen sich die Umweltschützer, dass sie Verbraucher zum Wechsel zu Mehrweg animiert.
Im Bundesumweltministerium verschließt man sich der Idee einer Abgabe nicht. Von der Argumentation der Umweltschützer ist man allerdings nicht überzeugt. „Viele Produkte wie einige Biersorten werden von Brauereien ausschließlich im Mehrwegsystem angeboten“, sagte Sprecher Thomas Elsner. „Die werden die Händler nicht aus dem Sortiment nehmen.“
Da die Verpackungsverordnung mit der Vorgabe des Zwangspfands eindeutig ist, müsste man sie novellieren, um die alternative Abgabe einzuführen. Die kann Trittin aber nur durchsetzen, wenn Wirtschafts- und Finanzministerium und deren Lobbyisten mitziehen.
In der Wirtschaft herrscht allerdings großer Widerstand gegen Pfand und Abgabe: Eine neue Steuer für Unternehmen und Bürger bremse die konjunkturelle Entwicklung und stehe in keinem Vergleich zu den geringen ökologischen Entlastungen, heißt es dort. Man brauche zeitlichen Spielraum für eine andere Lösung und plädiert für eine Selbstverpflichtung der Industrie. Trittin ist allerdings nicht bereit, das „Spiel auf Zeit“ mitzumachen. Angesichts des deutlichen Rückgangs von Mehrwegverpackungen in den vergangenen Jahren dürfe keine Zeit verloren werden.
In Schweden und den USA gibt es das Pfand auf Einwegverpackungen längst. Obdachlose verdienen sich damit ein Zubrot. „Damit wird Müll vermieden, aber nicht die Entstehung von Einwegverpackungen“, erläutert Susanne Hempen vom Naturschutzbund (Nabu).
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