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Die General-Krähen und der „Verfahrensfehler“

■ Der Generalstaatsanwalt entlastet den Generalstaatsanwalt: Beim Fall Telschow hat die Justiz keine Rechtsbeugung begangen / Alle Beschuldigten unschuldig

Der Generalstaatsanwalt beim Kammergericht, Schultz, hat gestern den Generalstaatsanwalt beim Landgericht, Treppe, und vier Staatsanwälte der politischen Abteilung vom Verdacht der Rechtsbeugung entlastet. Schultz war von Justizsenatorin Limbach beauftragt worden, zu prüfen, ob gegen Treppe und die vier Staatsanwälte der P-Abteilung, Schweitzer, Selle, Schmidt und Frau Diederichs, ein Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung im Zusammenhang mit dem Schnellverfahren gegen den V-Mann des Verfassungsschutzes, Steffen Telschow, einzuleiten sei. Der Generalstaatsanwalt beim Kammergericht bescheinigte seinen im Verdacht stehenden Kollegen gestern vor versammelter Presse jedoch eine reine Weste: Die Überprüfung der Akten habe „keinerlei Anhaltspunkt“ dafür ergeben, daß der P -Staatsanwalt Schweitzer die Gerichtsverhandlung gegen den V -Mann Telschow manipuliert habe noch daß Schweitzer von seinen Vorgesetzten gedeckt worden sei. Schweitzer habe lediglich „einen Verfahrensfehler“ gemacht, indem er dem Gericht die V-Mann Eigenschaft Telschows verschwiegen habe.

Hintergrund des Überprüfungsvorgangs war die Verurteilung Telschows im Herbst 1988 in einem Schnellgerichtsverfahren wegen eines Steinwurfs zu einem Jahr auf Bewährung. Zu dem Prozeß war es nur deshalb so bald gekommen, weil Telschow mit dem Staatsanwalt Schweitzer einen Deal verabredet hatte: Geständnis gegen ein Schnellverfahren und damit die Höchststrafe von einem Jahr auf Bewährung. Daß Telschow ein V-Mann war, hatte Staatsanwalt Schweitzer dem Gericht verschwiegen, nachdem er in dieser Angelegenheit zuvor RÜcksprache mit seinen Vorgesetzten genommen hatte. Außerdem hatte Schweitzer in dem Prozeß mit keinem Wort erwähnt, daß gegen Telschow noch zwei weitere Ermittlungsverfahren anhängig waren. Vor dem Verfassungsschutz -Untersuchungsausschuß hatte Telschow einige Monate später offenbart, daß er gar keinen Stein geworfen habe. Nachdem der Justizverwaltung im April dieses Jahres von der Projektgruppe zur Untersuchung der Fehlentwicklungen beim Verfassungsschutz Unterlagen mit neuen Erkenntnissen zum Fall Telschow übersandt worden waren, hatte die Justizsenatorin zunächst eine hausinterne Prüfung der Akten veranlaßt.

Die Begründung, mit der Generalstaatsanwalt Schulz gestern seinen Kollegen reinwusch, glich einem Eiertanz. So stellte Schultz fest, daß eine Rechtsbeugung aus objektiven Gründen nicht vorliege, „weil dazu mehr geschehen muß als hier geschehen ist“. Es bestehe kein Zweifel, daß die beteiligten Staatsanwälte von der Rechtmäßigkeit ihres Handels überzeugt gewesen seien. Die Staatsanwältin beim Kammergericht, Bilstein, die zusammen mit Schultz die Überprüfung gemacht hatte, verwies darauf, daß Telschow auch nicht anders bestraft worden wäre, wenn dem Gericht die V-Tätigkeit bekannt gewesen sei. Ihre Aussage steht jedoch im Widerspruch zu einem 20seitigen Aktenvermerk, in dem Bilstein und Schultz festgestellt haben, daß die V-Mann -Verbindung Telschows sehr wohl die „Bewertung des Schuldumfangs im Rahmen der Strafzumessung“ berühren konnte. Die Behauptung, daß Telschows Ermittlungsverfahrens in dem Prozeß unterschlagen worden seien, bezeichnete Bilstein als „absurd“. Es sei fraglich ob das Gericht überhaupt danach gefragt habe. Außerdem habe es sich um „keine einschlägigen“ Verfahren gehandelt. Schultz erklärte, er habe seine Überprüfung nur anhand der Akten getätigt, weil er kein Ermittlungsverfahren eröffnen wollte, um Zeugen zu vernehmen.

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