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Die Freiheitlichen auf Kanzlerkurs

Populistisch wie eh und je, legt die FPÖ auf ihrem Parteitag eine perfekte Inszenierung hin. Vizekanzlerin Riess-Passer macht, obwohl noch immer im Umfragetief, Boden gut. Jörg Haider nennt Bundesaußenminister Fischer „eine unerwünschte Person“

aus Wien RALF LEONHARD

Susanne Riess-Passer möchte Kanzlerin werden. „Wir sind der Motor und das Kraftzentrum für die politische Erneuerung“, verkündete die Vizekanzlerin gestern auf dem FPÖ-Parteitag in Wiener Neustadt. „Deswegen werden wir 2003 den Kanzleranspruch stellen“, schloss sie ihre Ansprache und forderte die Delegierten auf, sie zu unterstützen.

Eine Steuerreform soll den Freiheitlichen vor den für Herbst 2003 angesetzten Nationalratswahlen aus dem Umfragetief helfen. Dafür ist die FPÖ bereit, den Götzen „Nulldefizit“ – ausgeglichenes Budget – zu opfern, den FPÖ-Finanzminister Karl-Heinz Grasser zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Riess-Passer, Parteichefin von Jörg Haiders Gnaden, wurde ohne Gegenkandidaten wiedergewählt.

Wer erwartet hatte, dass die jüngsten Zerwürfnisse in der FPÖ den Parteitag interessanter machen würden, musste enttäuscht eine perfekte Inszenierung beobachten. Haider verzichtete darauf, seiner Statthalterin an der Parteispitze einmal mehr zu zeigen, wer in der FPÖ das Sagen hat, und überließ ihr die zentrale Rede. Allerdings holzte Haider über die Grenze: „Fischer ist für uns eine unerwünschte Person“, sagte er an die Adresse des deutschen Außenministers. Er hoffe, dass der Grüne „nach der Wahl der Vergangenheit angehören wird“.

Den Eintritt in die Regierung hat die Protestpartei mit sinkender Popularität bezahlt. Sie liegt in Umfragen deutlich hinter dem Koalitionspartner ÖVP und durchschnittlich 5 bis 7 Punkte unter dem Rekordergebnis von fast 27 Prozent bei den Wahlen 1999. Dennoch ist es der FPÖ gelungen, die Themenführerschaft zu übernehmen. Ob die Verschärfung des Fremdenrechts unter dem Schlagwort „Integrationspaket“, der Ruf nach einer eigenen Drogenpolizei oder das vehemente Eintreten für eine Steuerreform vor den Wahlen – die Blauen haben fast immer die Schlagzeilen gebucht, auch wenn es oft negative sind.

Während die ÖVP bei den Zuzugsquoten immer auch die Interessen der Wirtschaft im Auge hat, kann die FPÖ mit ungehemmtem Populismus gegen die Überfremdung wettern. Und wo die Bürgerlichen eine Steuerreform von einem mindestens zweieinhalbprozentigen Wirtschaftswachstum abhängig machen, verkünden die Freiheitlichen Steuerbonbons „ohne Wenn und Aber“.

Bundeskanzler Schüssel bleibt hingegen blass. Kein Wunder, dass in jüngsten Umfragen Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer bessere Werte einfährt als der ÖVP-Chef. Das Sozialforschungsinstitut OGM bescheinigte ihr größere Durchschlagskraft, modernere Konzepte, mehr Volksverbundenheit und sogar höhere Wirtschaftskompetenz und Glaubwürdigkeit als dem Kanzler. Bei der Frage, ob sie als Kanzlerin geeignet sei, liegt sie mit 43 Prozent Zustimmung mit dem Amtsinhaber gleichauf.

Von den Medien wird die Schnellrednerin in letzter Zeit gehätschelt. Gegenüber Haider, der mit seinen Zwischenrufen immer mehr zum Hofnarren der Regierung degeneriert, wird sie als die staatstragende, verlässliche Politikerin aufgebaut. Zwei Jahre und vier Monate nach Antritt der Wenderegierung können sich nur 12 Prozent des Wahlvolks einen Bundeskanzler Haider vorstellen. Dennoch weiß jeder: Sollte es der FPÖ auch bei den nächsten Wahlen gelingen, die ÖVP an Stimmen zu überholen, würde das Kanzleramt von jenem Mann reklamiert, der seine Partei von Klagenfurt aus wie ein Sektenguru dirigiert.

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