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Die Frauen arbeiten unten

Im EG-Apparat ist es wie sonst auch: weiblich besetzte Sekretariate und Männer in den Spitzenpositionen Richtlinie zur Gleichbehandlung von Frauen gilt seit den 70er Jahren / Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof  ■  Aus Brüssel Hortense Hörburger

Girls, girls, girls... kein Mangel an - zumeist gutgekleideten - Frauen in den Institutionen der EG. Schließlich sind fast die Hälfte der BeamtInnen in den EG -Institutionen Frauen. Doch wie immer lohnt sich der differenzierte Blick. Denn auch die Frauen in den EG -Institutionen teilen die Probleme anderer erwerbstätiger Frauen - sie arbeiten überwiegend in Positionen mit ausführendem Charakter, wenig Einfluß und entsprechend weniger Gehalt. In den Dienststufen B und C (SekretärInnen/SachbearbeiterInnen) arbeiten je nach Institution zwischen 60 und 90 Prozent Frauen. In der höchsten Dienststufe A sind es im Durchschnitt noch zehn Prozent und je höher die Gehaltsgruppe in dieser Dienststufe ausfällt, desto weniger Frauen sind zu finden.

Der Frauenausschuß des Europäischen Parlamentes hat in einem Bericht über Frauen in den EG-Institutionen ein Programm positiver Aktionen zugunsten von Frauen gefordert. Dieses Programm sollte detaillierte Zielvorgaben enthalten und in den Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, sollten pro Jahr mindestens zehn Prozent mehr Frauen eingestellt werden. Geändert hat sich wenig, seit diese Programm vorgestellt wurde.

Die Kommission

ein Männerbund

Wie im Beamtenapparat sind Frauen auch in den politischen Schaltzentralen kaum anzutreffen. Jahrelang hatte der Frauenausschuß des Europäischen Parlamentes wenigstens eine Frau im Gremium der 17köpfigen EG-Kommission gefordert. Mehrfach hatt das Gremium auch öffentlich damit gedroht, notfalls einer rein männlich besetzten Kommission das Vertrauen zu verweigern Dazu ist es allerdings nie gekommen.

Am 1. Januar 1988 haben zwei Mitgliederregierungen zum ersten Mal Frauen als Kommissarinnen nach Brüssel geschickt: die liberale Französin Christine Scrivener, von der man/frau in Brüssel kaum etwas hört, ist für Steuerharmonisierung zuständig und die griechische Sozialistin Vasso Papandreou für Soziale Angelegenheiten. In der Generaldirektion, die Vasso Papandreou unterstellt ist, gibt es auch ein Büro für die „Probleme der Frauenbeschäftigung“, das die Gleichstellung der Frauen in der Gemeinschaft koordinieren soll. Mit inzwischen sieben Stellen ist das Büro allerdings bei einer so wichtigen und umfassenden Tätigkeit überfordert.

Zwar ist die EG-Kommission als Arbeitgeberin kein leuchtendes Vorbild, aber immerhin hat sie in den 70er Jahren eine Reihe von Richtlinien über die Gleichbehandlung von Frauen im Arbeitsleben vorgelegt. Grundlage dafür sind die Römischen Verträge von 1957, mit denen die damalige EWG gegründet wurde, in denen die Lohngleichheit in Artikel 119 verankert ist. Die Gleichbehandlungsrichtlinien, regeln im einzelnen Lohngleichheit, Chancengleichheit im Beruf und Gleichbehandlung in den Systemen der sozialen Sicherheit.

EG-Richtlinien müssen in nationale Gesetzgebung umgesetzt werden. Allerdings verweigerte die Bundesregierung seinerzeit die Umsetzung der ersten beiden Richtlinien immer wieder mit Hinweis auf Artikel 3 des Grundgesetzes (Gleichheit vor dem Gesetz). Erst nachdem die EG-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof ein Verfahren wegen Vertragsverletzung eingeleitet hatte, verabschiedete der Bundestag am 13. August 1980 ein arbeitsrechtliches EG -Anpassungsgesetz. Dabei handelt es sich aber keineswegs um ein eigenständiges Antidiskriminierungsgesetz, sondern es wurden lediglich einige Paragraphen an bereits bestehende Gesetze angefügt.

Da EG-Recht nationales Recht bricht, können Klagen von Arbeitnehmerinnen, die sich diskriminiert fühlen, von nationalen Arbeitsgerichten an den Europäischen Gerichtshof zum Vorentscheid verwiesen werden.

Zur Zeit bereitet die Kommission einen Richtlinienentwurf vor, mit dem „atypische Beschäftigungsverhältnisse“, in denen sich zahlreiche Frauen befinden, abgesichert werden sollen. Als Argument führt die Kommission an, daß durch unterschiedliche Entlohnung und soziale Absicherung im großen Binnenmarkt Wettbewerbsverzerrungen entstehen könnten. Wenn die Kommission mit ihrem Vorhaben beim Ministerrat Gehör findet, dann könnte ein solcher Entwurf mit Mehrheit angenommen werden. Die Chancen dafür stehen gar nicht schlecht.

Gleichzeitg probt aber der Ausschuß für Soziale Angelegenheiten im Europäischen Parlament den Aufstand. Obwohl dieses Recht eigentlich allein in die Zuständigkeit der Kommission fällt, hat der Sozialausschuß Anfang April einen eigenen Richtlinienentwurf vorgelegt. Auch er befaßt sicht mit der Absicherung „atypischer Beschäftigungsverhältnisse“ und soll im Juni im Plenum des Europaparlaments abgestimmt werden soll. Wenn dieser Coup gelingt, könnte er eine Veränderung im institutionellen Gefüge der EG mit sich bringen und den politischen Einfluß des Parlamentes gegenüber der Brüsseler Administration stärken. Europarlamentarierinnen machen bereits Druck auf die Kommission, um dem Projekt auf die Beine zu helfen. So drohte zum Beispiel die deutsche Sozialdemokratin und Berichterstatterin des Sozialausschusses im Europaparlament, Heinke Salisch, mit einem Mißtrauensvotum ihrer Parteigenossinen und anderer Frauen, falls die Kommission sich stur stellt. Solche Töne haben wir in letzter Zeit allerdings schon oft gehört.

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