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Archiv-Artikel

Die Frage nach dem Sinn des Lebens

betr.: „Ohne Zufall keine Freiheit“

So wenig wie die Idee eines alles lenkenden Gottes ergibt sich ein konsequentes Friedensengagement gegen Atomwaffen aus Einsteins Relativitätstheorie. Trotzdem wurde er nicht müde zu appellieren. Hätte er es, weil aus der Zufälligkeit physikalischen Geschehens nicht ableitbar, besser unterlassen sollen? Die Evolution kann die Frage nach einem ethischen Sinn des Lebens nicht beantworten. Wird sie dennoch heimlich dafür hergenommen, dann bleibt der Fatalismus, wie das unerträgliche Zufalls- und Erfahrungsprinzip Luhmanns zeigt. Was Einstein mit Kant wusste und was Darwin nicht interessierte, war die Frage nach dem Sinn des Lebens, die aus keiner physischen oder evolutiven Erfahrung herleitbar ist, sich aber mit apodiktischer Notwendigkeit dem vernünftig denkenden Subjekt aufdrängt, egal ob mit oder ohne Gott. Moralisch sinnhafte Existenz setzt aber Freiheit voraus, d. h. keine Freiheit ohne Verantwortung. Aber auch keine Freiheit ohne Notwendigkeit: jeder der beiden Begriffe setzt den anderen, um selber gedacht werden zu können, voraus. Freiheit ist die spontane Fähigkeit eines Subjektes, Atomkrieg ja oder nein, eine Kausalkette in Gang zu setzen oder zu unterbrechen. Das Fatale bei Luhmann ist, dass er nicht auf die Idee kommt: Flak = Krieg sollte nicht sein. Aber das ist aus einem ethisch neutralen und deshalb inhumanen Zufallsprinzip nicht ableitbar. Mitnichten ist der Zufall Voraussetzung für Freiheit. Voraussetzungslos ist er Voraussetzung für gar nichts. Die Freiheit aber entwächst der Verantwortung für den Mitmenschen und seiner zu wendenden Not.

KLAUS-PETER LEHMANN, Augsburg