: Die Einsamkeit des Mittelgewichtboxers
„Comeback“ von Maximilian Plettau ist das erstaunlich sensible Porträt eines Boxers
“They never come back“, galt als eines der Naturgesetze des Boxsports, doch wie so vieles hat Muhammad Ali dieses grundlegend geändert. Und so konnte sich auch Jürgen „The Rock“ Hartenstein etliche Jahre nach seinem letzten Kampf Hoffnungen auf ein Comeback machen.
1998 hatte er sich den Titel des Deutschen Meisters im Supermittelgewicht erkämpft, aber danach verlor er einen Kampf nach dem anderen, beendete seine Karriere und verdiente als Türsteher sein Geld. Doch dann begann der inzwischen in die Jahre gekommen Profi wieder ernsthaft zu trainieren und Boxpromoter so penetrant mit seinen Anrufen zu nerven, dass er schließlich die Chance für einen professionellen Kampf in den USA bekam.
Zusammen mit seinem Trainer Markus Kone arbeitete er verbissen an seiner Technik und Kondition. Der Dokumentarfilm macht deutlich, mit welchem unerschütterlichen Willen die beiden auf ihr Ziel hinarbeiten. Der Regisseur Maximilian Plettau zeigt, mit welcher inneren und äußeren Disziplin Hartenstein an sich arbeitet, und dass sein Satz „Ich lebe wie ein Mönch“ alles andere als nur so dahingesagt ist.
Plettau begleitete ihn mit der Kamera bei diesem Prozess und hat als wahrer Autorenfilmer bis auf Musik, Schnitt und Ton den Film weitestgehend alleine gemacht. Als ein großes Talent entpuppt er sich dabei auf jeden Fall bei der (inzwischen auch mit dem „Deutschen Kamerapreis 2008 ausgezeichneten) Kameraarbeit, denn so brillant fotografierte Stimmungsbilder und solch ein gutes Auge für jene Details, die mehr erzählen können als viele Worte, findet man bei deutschen Dokumentarfilmern selten.
Deshalb kann Plettau es sich auch leisten, auf einen Kommentar im Off oder erklärende Schriftzüge zu verzichten. Die Bilder sprechen bei diesem Film wirklich für sich - seien es nun Aufnahmen von Hartensteins Training, Szenen in der Küche daheim bei seiner Großmutter, mit der er sich in einem schweren, für Außenstehende kaum verständlichen, Pfälzisch unterhält oder schließlich die Szenen vom Kampf, die noch am ehesten den Konventionen einer Sportdokumentation folgen. Dabei leistet der Film viel mehr, denn er fängt einen Lebensabschnitt in seiner ganzen Komplexität und und Schönheit ein.
Gerade in der anscheinenden Beliebigkeit der Einblicke ist der Film dramaturgisch geschickt montiert, und Plettau erzählt so souverän, dass er sich auch scheinbar willkürliche Abschweifungen leisten kann, die dem Film seinen atmosphärischen Reichtum geben.
So zeigt er den Boxer etwa einfach nur in einem nächtlichen Innenhof in Philadelphia, im Hintergrund trinkt eine junge Asiatin in ihrer Arbeitspause ihren Kaffee - und seltsamerweise bliebt einem gerade dieser Moment der Ruhe noch lange nach dem Ende des Films im Gedächtnis, weil er vom Regisseur so wahrhaftig eingefangen wurde.
Einmal zollt Plettau aber auch dem Genre Tribut gezollt und zitiert in der einzigen offensichtlich gestellten Szene den Klassiker „Rocky“, wenn er „The Rock“ Hartenstein genau wie einst Stallone die Stufen zum Philadelphia Museum of Art herauf rennen lässt. Der kurze Kampf gegen einen jungen, aufsteigenden Afroamerikaner zeigt dann, dass Hartenstein in der Maschine des amerikanischen Sportgeschäfts nur ein kleines, unbedeutendes Rädchen ist. Aber auch in der Niederlage bleibt er professionell und verliert nicht seine Würde. Durch den Film ist sein Comeback nun schließlich doch gelungen.
WILFRIED HIPPEN