: Die Dienstleister kommen
■ „Vacances“ fährt das Auto zum TÜV und füllt den Kühlschrank zum Urlaubsende
Schwimmen gehen? Dafür haben Anja Grebhan und Wolfgang Köhler trotz der großen Hitze keine Zeit. „Dieses Jahr fällt der Urlaub flach.“ Die letzten Spargroschen der beiden 27jährigen stecken nämlich im eigenen Betrieb. Vor zwei Monaten haben sie den „Mobilen Sozialdienst, Vacances“ gegründet – und ein Loch im Bremer Dienstleistungsangebot gestopft: „Vacances“ fährt das Auto beim TÜV vor, füttert die Katzen oder füllt den Kühlschrank zum Urlaubsende wieder auf. Alles, was so gebraucht wird, wenn die Nachbarn nicht einspringen. „Zu Preisen, über die wir auch mal verhandeln.“
Vor allem der Haus-Sitter-Service, in Kombination mit Betreuung von älteren Familienmitgliedern oder Haustieren, ist gerade viel gefragt. „Das Telefon bimmelt häufiger, als wir für den Anfang angenommen hätten“, freut sich das Paar, das sich mit dem Unternehmen eine Existenz aufbauen will – auch wenn beide jetzt noch studieren. „Wirtschaftswissenschaften. Aber Anja schon in der „Endphase“. Bis sie sich etabliert haben, kellnern sie abends auch noch.
Noch sind Firma und Privatwohnung eins, denn neben Einstellungs- und Kundengesprächen blieb für die Suche nach einem passenden Haus keine Zeit. Aber Anja und Wolfgang verlieren nicht die Nerven. Daß sie auch mal naß aus der Dusche springen, wenn der Apparat klingelt, gehört zu ihrem Unternehmer-Leben: „Gerade ältere Leute besprechen nicht gerne den Anrufbeantworter“ – und vor allem die gehören zur Klientel.
Der Herr aus Horn beispielsweise. Für ihn tüftelten Anja und Wolfgang solange, bis alles stimmte. Die Aufgabe: Der Mann wollte verreisen, aber seine Mutter, die bei ihm lebt, braucht Betreuung. „Keine Krankenpflege, sowas gehört noch nicht zum Service“, betont Wolfgang Köhler. „Aber zweimal am Tag sollte jemand vorbeischauen, den Sohn quasi ersetzen. Besorgungen machen, aufräumen, putzen – oder zur Sicherheit einfach dasein.“ Die Schwierigkeit: Mutter und Sohn müssen die angeforderte Helferin gleichermaßen mögen – und die muß auch bereit sein, im Haus nach dem Rechten zu sehen, den Briefkasten zu leeren und die Zeitschaltuhren einzustöpseln. „Und im Notfall auch mal schnell zu kommen.“
Aber es hat geklappt. Anja und Wolfgang sind zufrieden, denn die Betreuung der alten Frau soll sogar nach dem Urlaub weitergehen. „Unsere Leute haben eben Spaß am Kontakt mit Menschen und sind keine abgebrühten Pflege-Profis“, erklären die beiden. Deshalb seien Mutter und Sohn auf „Vacances“ umgestiegen und haben der früheren Helferin sogar gekündigt. „Bei uns sollen die Leute sich aufgehoben fühlen. Was machbar ist, wird erledigt. Wir nehmen auch mal den Schraubenzieher in die Hand.“
Mit ihrem Unternehmen schwimmen Anja Grebhan und Wolfgang Köhler gegen den Strom kühler Professionalität. Bei ihrem Senioren-Dienst beispielsweise geht es neben der praktischen Arbeit auch um Einfühlungsvermögen. Für diese Anforderung suchen sie ihre rund 40 MitarbeiterInnen genau aus. Abgebrühte Profis, Erkennungszeichen: „kalter Blick und gefühllose Worte“, haben bei ihnen keine Chance. Ähnliches gilt für KundInnen: Wer bei Anja Grebhan böse auf die fünf VorgängerInnen schimpft, die von anderen Organisationen kamen, muß sich kritische Frage gefallen lassen. „Manchen verbitterten Menschen kann man nicht helfen. Das muß man auch erkennen.“ ede
Kontakt: Vacances, Telefon 74616
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