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Archiv-Artikel

Die „Diebesfalle“ der Frau K.

Zwei Trickdiebe wurden zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt, weil sie sich einer – nur vermeintlich hilflosen – alten Frau gegenüber als Mitarbeiter der Stadtwerke ausgaben

von Jan Zier

Fast ist die Geschichte ein bisschen zu schön. Da ist auf der einen Seite eine Dame von 83 Jahren, Ingeborg K., eine kleine, hagere Gestalt im rosa Kostüm, gebrechlich wirkend, schon etwas zittrig. Und da sind auf der anderen Seite zwei junge Männer, Monty L. und Thomas M., 21 und 22 Jahre alt, der eine groß und kräftig, der andere eher korpulent. Mit dem so genannten „Stadtwerke-Trick“ und der Hilfe eines Komplizen versuchen sie, die alte Frau an der Haustüre zu „übertölpeln“, wie Richter Enzo Vial das nennt – und ihrer Habseligkeiten zu berauben. Vergeblich, wie sich herausstellt. „Eigentlich sieht es eher so aus, als seien die hier Angeklagten übertölpelt worden.“ Jetzt mussten sich M. und L. dennoch vor dem Amtsgericht verantworten – wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes.

„Ich habe gleich gewusst, dass das Verbrecher sind“, sagt Ingeborg K. mit fester Stimme. „Ich habe sie absichtlich rein gelassen – um sie in die Falle zu locken“. Und der Polizei Hilfe zu leisten. „Schließlich haben sie schon dreimal bei mir eingebrochen.“

Die ehemalige Ärztin, einst Chefin einer Kinderklinik, war also vorbereitet, vergangenes Jahr, kurz vor Weihnachten. Eine Viertelstunde nur, so ihr spontan gefasster Plan, müsste sie die beiden Eindringlinge hinhalten. Dann käme schon die Polizei. Weil die wachsamen Nachbarn in Kattenturm entdecken würden, das alles sperrangelweit offen steht: das schmiedeeiserne Tor, die schwere Haustüre. „Wenn was offen steht, dann rufen die die Polizei.“

So war es vorher vereinbart. So geschah es dann auch. Noch an Ort und Stelle wurden die drei verhaftet, mit einer EC-Karte und zwei Schlüsseln in der Tasche, sowie 43 Schmuckstücken. Modeschmuck, wie sich herausstellt. Sie habe ihn „absichtlich“ liegen lassen, erzählt Frau K. dem Gericht, der Einbrecher wegen. Den wirklich wertvollen Schmuck hätten andere schon erbeutet.

„Das war keine Miss Marple-Situation“, wiegelt Richter Vial ab. Von der „Diebesfalle“, von der Verteidiger Jörg Hübel spricht, will er nichts wissen. „Wir haben es nicht mit einer überlegenen, wissenden, alten Dame zu tun“, sagt Vial. Alles nur schöngeredet? „Natürlich hatte ich Angst“, gibt Ingeborg K. zu. „Wenn du dich gegen die wehrst“, schildert sie ihre Gedanken von damals, „dann tun sie dir was an.“ Und ihre Geste will sagen: „Dann schneiden sie dir die Kehle durch.“

Das Messer dazu hätten M. und L. durchaus einstecken gehabt, auch Reizgas war mit dabei. „Eher zufällig“, wie die beiden Pflichtverteidiger einhellig versichern, „und unabsichtlich“. Benutzt haben sie die Waffen jedenfalls nicht, und auch Frau K. wusste nichts von ihnen – bis die Polizei kam. Und so einigte man sich am Ende darauf, dass von Gewalt – und also auch von Raub – keine Rede sein könne. Was blieb, war ein einfacher, allerdings bewaffneter, Trickdiebstahl.

Dafür wurden M. und L. nun zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung sowie 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. In U-Haft jedenfalls saßen sie beide schon einmal, für immerhin eineinhalb Monate. Kurz nach der Tat war das, vergangenes Jahr, über Weihnachten und Silvester. Die Freundin des M. war damals hochschwanger. Aber eine Familie zu gründen, findet Amtsrichter Vial, sei ohnehin das Beste gewesen. Jedenfalls für die Zukunft des arbeitslosen M.