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Archiv-Artikel

„Die Demokraten sind zu zersplittert“

Präsident George W. Bush spaltet das Land, die Demokraten werden als Opposition trotzdem nicht wahrgenommen. Das liegt vor allem an der zunehmenden Personalisierung der Politik in den USA, sagt der Journalist David Corn

taz: Herr Corn, wo sind eigentlich die US-Demokraten? Als Opposition fallen sie nicht so richtig auf.

Corn: Wir haben hier kein parlamentarisches System. Die Parteien sind mehr ein Zusammenschluss von Individuen. Wie Senator Joseph Lieberman zum Beispiel sind einzelne Demokraten für Bush und den Irakkrieg – und sind trotzdem angesehene Parteimitglieder. Auch im Senat haben die Demokraten wenig Einflussmöglichkeiten. Wer das Abgeordnetenhaus in Washington kontrolliert, wie seit zehn Jahren die Republikaner, hat es einfach, die Opposition auszuschließen.

Aber der Irakkrieg polarisiert die amerikanische Gesellschaft zusehends. Ist das nicht ein gefundenes Fressen für Bush-Kritiker?

Die Demokraten sind aber selber gespalten, wenn es auf das Thema Irak kommt.

Seit letzten Herbst verfolgen den Präsidenten eine ganze Reihe von Pleiten, Pech und Pannen. Von Korruptionsskandalen bis zu weltweit heftiger Kritik an der Haltung des Weißen Hauses zur Folter. Da müsste doch eine schwache Opposition einen Fuß in die Tür kriegen?

Ja und nein. Gegenwärtig bekommen aufgrund dieser Skandale alle Politiker in Meinungsumfragen schlechte Noten. Die Wählenden sehen keinen Unterschied zwischen Demokraten und Republikanern, wenn es um schmutzige Politik in Washington geht. Natürlich könnten die Demokraten versuchen, mehr daraus machen, aber wenn es kein positives Echo findet, nützt es nichts.

Die einzelnen Skandale böten jeder für sich genommen in Deutschland genug Stoff für einen Untersuchungsausschuss.

Das ginge institutionell nur, wenn die Demokraten ein Haus des Kongresses kontrollieren würden. So müssen sie sich auf Beschuldigungen und wütende Kritik beschränken. Das ist aber insbesondere im Wahlkampf ziemlich wirkungslos. Man stünde anders da, wenn man Untersuchungen einfordern, Resultate produzieren und Klagen einreichen könnte.

Entschuldigen Sie damit die Schwäche der Demokraten?

Es hört sich so an. Natürlich haben sie auch gute Gelegenheiten vorbeiziehen lassen. Den Republikanern war ein Durchbruch 1994 mit Newt Gingrich gegen die Clinton-Administration gelungen. Die waren damals aber ideologisch sehr geschlossen. Hingegen sind die Demokraten heute ideologisch zu zersplittert.

Im November wird in den USA gewählt, der Wahlkampf um die Sitze im Kongress hat schon begonnen. Haben die Demokraten gute Chancen und auch die entsprechenden Führungspersönlichkeiten?

Nochmal: Wir haben kein parlamentarisches System. Es wird wohl eher zu einer Reihe von einzelnen Wahlkämpfen kommen. Wobei der Zuschnitt vieler Wahlkreise die Ergebnisse vorhersehbar macht. Es wird nur in zwei bis drei Dutzend Wahlkreisen überhaupt zu einem echten Wahlkampf kommen.

Aber auch dort sind doch der Irakkrieg und die Korruption in der republikanischen Partei Thema?

Natürlich versuchen die Demokraten diese Themen zu nutzen. Doch meistens gewinnen die Kandidaten das Rennen, die zu Hause besser ankommen. In den USA ist Politik hoch personalisiert, es werden Personen, nicht die Partei gewählt. Das verstehen Europäer oft nicht.

Das hieße aber auch, dass die republikanischen Politiker seit über zehn Jahren bei den Wählern einfach besser ankommen?

Ja, sie sind sehr erfolgreich. Aber ich betone nochmals, wirklich gekämpft wird im November um höchstens 30 bis 40 Abgeordnetenmandate. In einigen Wahlkreisen kann es um nationale Fragen gehen, in anderen tritt vielleicht ein ehemaliger Football-Star gegen jemanden an, dessen Frau einen Lippenstift geklaut hat. Das ist dann vielleicht entscheidender als der Irak.

Präsident Bush lässt die Demokraten seit Jahren schwach aussehen. Warum gelingt es ihnen nicht, die amerikanische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass sie auch etwas von nationaler Sicherheit verstehen?

Republikanische Kandidaten sagen: „Keine Sorge, wir jagen Terroristen in die Luft“, Bush sagt: „Wenn es unsere Sicherheit erfordert, höre ich eben Telefone ab.“ Und die Demokraten kommen dann und sagen: „Hier sind zehn Programmpunkte, wir wollen eine Balance zwischen Sicherheit und bürgerlichen Freiheiten.“

Sie meinen, die US-BürgerInnen haben Bushs Drohszenarien des Terrorismus noch lange nicht satt?

Hier wird niemand dafür kritisiert, dass er zu hart gegenüber Terroristen ist. Bush weiß das. Die Leute sagen: „Was wollen Demokraten im Kampf gegen den Terror mit Thesenpapieren anfangen?“ Sie kämpfen also mit stumpfer Waffe. Zudem fehlt den Demokraten eine starke Parteizentrale, die den Kandidaten hilft, eine kohärente Botschaft auszusenden.

Glauben Sie, dass Hillary Clinton die Partei nach vorne bringen kann?

Ich persönlich mag sie nicht, sie ist zu selbstgerecht. Wenn sie für den Präsidentschaftswahlkampf 2008 kandidiert, wird sich alles nur noch um ihre Person drehen.INTERVIEW: ADRIENNE WOLTERSDORF