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Archiv-Artikel

Die Camp-Köchin ohne Camp

Küchenmesser und Geschirrtücher – damit kommt man derzeit nicht über die deutsch-französische Grenze. Das musste Sabine Hütten am Dienstag erleben. Die 40-Jährige, die ursprünglich aus dem Ruhrgebiet stammt, kocht seit zehn Jahren kreuz und quer in Europa für Camps. Beim Nato-Gipfel sollte sie mit zwei Kollegen von der mobilen Küche „Le Sabot“ den Hunger tausender Protestteilnehmer vegan, biologisch und lecker stillen. Ihr Lieblingsrezept? – „Nudeln mit Saitan-Gulasch und gemischtem Salat.“ Auf der Internetseite www.lesabot.org gibt es auch Rezepte für Hokkaidokürbissuppe und Grünkern-Brotaufstrich.

Schmackhaftes Essen für die Camp-Teilnehmer war mit der französischen Grenzpolizei jedoch nicht zu machen. Das Land der Gourmets lässt Sabine und ihre zwei Mitköche erst gar nicht einreisen. Ihre Küchenmesser wurden als Waffen eingestuft und beschlagnahmt. Ebenso ihre Handtücher: „Mit den Geschirrtüchern wollten wir uns doch angeblich vermummen“, sagt Sabine Hütten.

Das Hauptproblem: Die französischen Grenzpolizisten erhielten einen Tipp von ihren deutschen Kollegen. Sabines Name ist dort in einer Datenbank aufgetaucht, die vor gefährlichen Teilnehmern warnt. Sie kann sich das nicht erklären. „Vielleicht liegt es daran, dass ich häufig durch Personenkontrollen muss.“ Als Camp-Köchin ist sie eben oft dort, wo es brodelt. Manchmal filmt sie auch, was auf den Demos passiert. „Ich bin freiberufliche Videofilmerin.“ Ein paar Clips hat sie schon veröffentlicht.

Der Name des zweiten Camp-Kochs tauchte auch in der Datenbank auf. Er sei zwar Mitglied einer linken Gruppe, habe sich aber noch nie etwas zuschulden kommen lassen. „Wie denn auch?“, fragt Henk, der Dritte im Kochmobil. „Wir sind ja kaum auf Demos, weil wir immer an den Kochtöpfen stehen!“ Er stand als Einziger der drei bisher auf keiner Liste, hat aber trotzdem mit der ganzen Crew zusammen Einreiseverbot. Schließlich saß er auch mit in einem Bus voller Handtücher und Küchenmesser.

Sabine ist wütend. Mehrere Monate hat sie die Versorgung der Teilnehmer organisiert, Essen für bis zu 8.000 Leute geplant. Eine Erlaubnis für das Camp in Straßburg hatten die Verantwortlichen eingeholt; auch die Verpflegung war genehmigt. Doch jetzt sollen die Teilnehmer hungern.

Nur mit Küchenschürze um den Bauch und Gemüse in der Hand wollen die Köche es noch einmal an der französischen Grenze versuchen. Währenddessen protestierten am Mittwoch auf der Europäischen Friedensbrücke zwischen Deutschland und Frankreich die Camp-Teilnehmer für ihre Verpfleger – vermutlich mit knurrendem Magen.

RANIAH SOLLOUM