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Die Calvados-Connection

■ Manipulierter DS-Citroen / Ausgerechnet Verbandschef erwischt

Paris (dpa) - Ausgerechnet einen der Repräsentanten der Calvados-Hersteller aus der Normandie hat es erwischt. Claude Delrieu, Manager einer großen Firma und Direktor des Werbekomitees für den Apfelweinbrand, hat 53 Hektoliter Alkohol illegal produziert. Die Menge reicht für mehr als 10.000 Flaschen. Nach Angaben von Alain Lecornu vom Nationalen Calvados-Büro wurde Delrieu zu drei Monaten Haft mit Bewährung und einer Million Franc (knapp 300.000 Mark) Strafe verurteilt.

Im Calvados (Departement) wird geschätzt, daß nach wie vor beinahe ebenso viel Calvados (Schnaps) illegal gebrannt wie offiziell der Steuer deklariert wird. Da ein Liter Apfel -Alkohol 30 Franc kostet, aber 100 Franc (knapp 30 Mark) Abgaben zu entrichten sind, lohnt sich der „Parallel-Markt“ für den Brenner, den Mittelsmann und den Verkäufer.

Rund 800.000 Tonnen saure Mostäpfel und Mostbirnen werden in jedem Jahr zu Apfelwein (Cidre) und Birnenwein (Poirier) verarbeitet, aus denen der Calvados gebrannt wird. Das Reinheitsgebot des Calvados erlaubt, daß auch Birnen-Alkohol genutzt wird, der einen weichen Geschmack gibt; rund zehn Prozent werden meist zugesetzt. Aber nur die Hälfte der Obsternte wandert offiziell in die Calvados-Produktion. Der Rest wird von den Vertretern des Calvados-Verbandes lächelnd als „Eigenbedarf“ oder auch „Schwund“ umschrieben.

Das Schwarzbrennen gehöre zur Folklore, zur Tradition, meint Lecornu, Direktor des Nationalbüros des Calvados -Berufsverbandes. „Die Normannen haben nun einmal einen gewissen Hang zum Mogeln.“ Immer wieder einmal schnappt die Polizei Schwarzbrenner bei der Arbeit oder faßt einen Transporteur im alten Citroen-DS. Der Wagen eignet sich besonders gut zum Einbau eines Alkohol-Tanks. Die Regierung sei aber auch selbst Schuld, meinen die Normannen schlitzohrig: „Je mehr die Steuern erhöht werden, desto besser ist das Geschäft der Betrüger.“

Am Fall Delrieu sei nur beunruhigend, daß die Schwarzbrennerei im großen Stil betrieben wurde, meint Lecornu. Dem Gerichtsurteil zufolge hatte Delrieu am Brenngerät eine Abzweigung angebracht, sodaß der Zähler umgangen wurde. Lecornu glaubt aber doch, daß die Schwarzbrennerei insgesamt langsam zurückgeht. „Die jungen Bauern beginnen mit der genauen Buchführung.“

Der Calvados-Boom in der Bundesrepublik, dem wichtigsten Exportland, flacht gegenwärtig nach einem neuen Anstieg im Jahr 1988 etwas ab. Gleichzeitig wird wegen der hohen Nachfrage die Spitzenqualität - „VSOP„-Calvados mit mehr als fünf Jahren Faßreife aus dem Zentralgebiet Pays d'Auge knapp. Die Engländer - ein neuer Markt - wollen fast nur diese Sorte, da sie ähnlich wie alter Cognac schmeckt und weniger nach Apfel als junger Calvados. Für die Briten wird sogar etwas Zucker zugesetzt.

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