: Die Braut haut ins Aus
Ins Leben entlassen: Mit Ausstellung und Konzert feiert die Hamburger Band „Die Braut haut ins Auge“ heute Abschied ■ Von Kristof Schreuf
Eine seltsame Bandgeschichte hat die Gruppe mit dem Namen Die Braut haut ins Auge hinter sich. Diese Band wurde nicht ausgelacht, und sie wurde nicht gehasst. Sie wurde nicht sehr oft bewundert, und man fand sie auch nicht wirklich schlecht. Die Musik, die sie spielte, war nicht furchtbar kompliziert und die Ziele, die die Band anstrebte, waren nicht verstiegen. Trotzdem sahen und hörten einige Die Braut haut ins Auge als hielten sie nicht für möglich, was sie da sahen und hörten. Das lag daran, dass die Sachen, über die sich die Jungsbands beugten – also Politik, Tragik und die Geburt des Pathos aus dem Geist der Melancholie – nicht auf die Pop-Rock-Baustelle der Braut passte.
Stattdessen sprach sich die Band für Chuck Berry oder Little Richard aus, und keiner wusste plötzlich mehr, was er davon halten sollte. Die Braut haut ins Auge enthielt sich selbstbewusst der allermeisten Themen, die die anderen besprachen. Gleichzeitig hielten diese, also die Leute um die Band herum, darunter auch HamburgerInnen, sich bedeckt. Niemand wollte sich bei der Beurteilung von Die Braut haut ins Auge zu sehr aus dem Fenster hängen. Das hat sie gewusst, geahnt und eingeplant. Von Anfang an. Es war nicht die ihnen liebste Möglichkeit, es kam ihnen auch nicht recht, aber es ging mit ihnen okay. Deshalb aber ist die Gruppe auf ihre Art in Hamburg – oder beser gesagt: unter Hamburgern – unsichtbar geblieben.
Ihre Geschichte mit und in Hamburg ist so eine Geschichte mit einigen unausgesprochenen Verabredungen. Seltsam mutet dabei die Selbstverständlichkeit an, mit der diese Verabredungen über lange Zeit eingehalten worden sind. Das liegt daran, dass die Braut sich nicht auf ihre eigenen Erwartungen verlassen und schon gar nicht auf die bis vor wenigen Jahren viel zitierten „Zusammenhänge“ bauen wollte. Anzunehmen ist, dass sich die Mitglieder noch vor dem ersten Termin im Übungsraum dafür entschieden hatten, keine Erwartungen zu hegen und auch keine in andere zu setzen. Was die eigene Arbeit anging, hat die Braut auf musikmachende Kollegen nicht viel gegeben. Die Folge war: Beständigkeit.
Neun Jahre zusammen, vier CDs/LPs herausgebracht und für die Bandbesetzung bis auf die Bassistin Peta Devlin nie neue Leute gebraucht. Für Die Braut haut ins Auge sind Devlin sowie die Schlagzeugerin Katja Böhm und die Orgelspielerin Karen Dennig mehr als einmal über ihren Schatten gesprungen. Wärenddesen rockte und performte die Sängerin Bernadette Hengst, als wäre sie bereit, sich Organe rausreissen zu lassen, nicht nur um in dieser Band zu spielen, sondern auch um das Leben zu führen, dass ihr vorschwebt. Das mit dem Leben hat Hengst geschafft. Die Braut haut ins Auge hat sich Respekt für einige, vor allem live erbrachte Energieleistungen verdient. Es bleibt der Eindruck, dass jede aus dieser Band für diese Band die Entscheidung getroffen hat, nur einen sorgfältig ausgewählten, aber auch nur begrenzten Teil ihres Talents zu entfalten.
Für zukünftige Projekte kann ein freierer Umgang mit musikalischen Formen erwartet werden. Wenn die Arbeit bei der umtriebigen Booking-Agentur BH-Booking und der Einsatz für das rennommierte Label WSFA ihr die Zeit lässt, dann kann mit einer überraschungsreichen Solo-Platte von Bernadette Hengst in nicht ferner Zukunft gerechnet werden.
heute, 21 Uhr, Markthalle;
Abschiedsausstellung: heute, 15 – 20 Uhr, Galerie 88, Clemens-Schulz-Str. 88
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen