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Die Bewegungslosigkwit der zweiten Person singular

■ Geschlossene Räume: bei Smog steht Homerecording für eine Philosophie

Die zweite Person Singular ist für Bill Callahan wie das Ding aus einer anderen Welt. So oft wie kein zweiter preßt der Songwriter, der hinter dem Namen Smog steht, das Wort „you“ über seine Lippen, die Verbindung zu einem möglichen Gegenüber will er aber gar nicht herstellen – Sympathie oder Zuneigung, Liebe oder Haß sind seine Inspiration nie. Eher Erschrecken darüber, daß sich da noch etwas außerhalb der eigenen körperlichen Hülle bewegt. Kommunikationsaxiome treten hier außer Kraft. Denn alle Stücke des stillen Amerikaners berichten davon, wie einem die Welt der Anderen verschlossen bleibt.

Für „Your Wedding“ etwa phantasiert der Erzähler, wie er besoffen auf der Hochzeit eines Mädchens rumläuft. In „Your Face“ beschreibt er das Gesicht, das ihm einen Orgasmus vorspielt. Und in „Your New Friend“ schließlich, dem seltsamen Hit der neuen Single, protokolliert der Protagonist punktgenau, wie die Frau, mit der er die Wohnung teilt, im Zimmer nebenan mit einem anderen Mann telefoniert. Das Wort „klaustrophobisch“ wirkt in Anwendung auf Callahans Songs oft wie ein Euphemismus. Geschlossene Räume sind das große Thema des Musikers, und Autismus ist ein zentraler Punkt seiner Kunst. Freilich auch einer, den er humorig beleuchtet, wie in der Elegie „Prince Alone In The Studio“.

Geschlossene Räume sind das große Thema. Bill Callahan ist ein Homerecorder par excellence. Nicht vorrangig deshalb, weil er die Karriere auf der Bettkante seines Apartments begann (und dorthin auch immer wieder mit Vorliebe zurückkehrt), sondern weil er seine Songs in einem nahezu referenzlosen Raum entwickelt. Das Wort „Homerecording“ steht hier für keine Technik, sondern für eine Philosophie. Ob da mit akustischer Gitarre oder mit Samples gearbeitet wird, ist eigentlich egal.

Die Musik von Smog ist frei von Dynamik, Gefühl wird nicht in einen Groove übersetzt. Die Stücke bleiben seltsam statisch – wie die Szenarien, die sie beschreiben. Denn davon handeln alle Lieder: die Bewegungslosigkeit.

Umso erstaunlicher, daß die Geschichte der Band auch eine der Bewegung ist. Nahm Callahan Julius Caesar 1994 noch fast alleine auf, versammelte er für Burning Kingdom, ein schleppend rockendes Album, und für das gleichsam barock-verspielte Wild Love (Cover rechts) eine richtige Band um sich. Was gemischte Gefühle beim Zuhörer hinterließ. Denn bei ihrer ersten Europa-Tour verkamen so einige der fragilen Elegien zu dumpfen Depro-Manierismen. „Ich wußte nicht, was die Leute von uns erwarteten“, sagt Callahan. „Deshalb haben wir vorsichtshalber gerockt.“ Wenn der Sonderling am Freitag sein neues Album The Doctor Came At Dawn vorstellt, ist dennoch mit dem besten zu rechnen – Callahan spielt solo und akustisch. Christian Buß

Fr, 9. August, 20 Uhr, Saal II

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