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Archiv-Artikel

Die Bescheidwisserin

Elke Heidenreich wird heute 65. Die ARD schenkt ihr ein Jubelporträt („höchstpersönlich“, Samstag, 14.03 Uhr)

Das muss ein klasse Job sein: Autorin bei „höchstpersönlich!“, dem Gutfind-Format der ARD. Man trifft Menschen des öffentlichen Lebens, interviewt ihnen gewogene Mitmenschen, und am Ende liefert man einen kuscheligen Dreißigminüter. Dass es am Samstag um 14.03 Uhr Elke Heidenreich trifft, ist schade. Die hätte mehr Tiefgang verdient.

65 Jahre alt wird die Frau mit der schönen Stimme und dem hellen Kopf heute. Sie ist eine öffentliche Person, die Widerspruch herausfordert: Die meisten Zuschauerinnen mögen sie, viele Männer finden sie nervig. Mit ihrer Sendung „Lesen!“ weist sie seit Jahren dem ZDF-Publikum den Weg durch den Buchmarkt. Die Bescheidwisserin nutzt ihren Informationsvorsprung gnadenlos zum Wohle der Zuschauer. Ihre schwärmerische Art, Bücher anzupreisen, stößt dabei vielen Kollegen aus der Kritikerfraktion sauer auf.

Ausgerechnet FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher bescheinigt in dem ARD-Porträt der Jubilarin ihren Einfluss. Nach einigem Wortgeschwurbel über deren „selbstschöpferischen Geist“ und den „Lebensvollzug einer Künstlerin“ formuliert er knapp: „Sie hat Macht.“ Die Porträtierte selbst tut so, als bedeutete ihr derlei nichts. „Erfolg geht an mich nicht mehr ran, Misserfolg auch nicht“, sagt Elke Heidenreich. Die Gelegenheit, diese offensichtliche Tiefstapelei zu hinterfragen, lässt Autorin Claudia Müller verstreichen. Lieber lässt sie Heidenreich hinlänglich bekannte Stanzen, ihre Vita betreffend, absondern: das begabte Kind, die Hassliebe zur Mutter, Studium in München und Berlin, ab 1970 erste Arbeiten beim Südwestfunk. Zig Möglichkeiten nachzufragen. Denn Elke Heidenreich ist eine klassische Vertreterin der 68er-Generation, eine coole Feministin und Großkritikerin. Eine Frau, die Widerspruch dringend braucht. Alles andere muss sie furchtbar langweilen. ANJA MAIER