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Archiv-Artikel

american pie Die Basketballer der USA starten Richtung Olympia

Zeit der Wiedergutmachung

Eine etwas lange Leitung hatten sie schon, die Basketballer des US-Teams, doch ein zweiter Black-out blieb ihnen erspart, als sie gegen Puerto Rico ihr einziges Testspiel für die heute beginnende Olympiaqualifikation mit 101:74 gewannen. Die Partie im New Yorker Madison Square Garden war wegen des Stromausfalls erst um zwei Tage verschoben worden, dann dauerte es bis zum letzten Viertel, ehe die NBA-Stars die gewünschte Dominanz entfalten konnten. Kurz nach der Halbzeit hatte Puerto Rico sogar noch mit 64:61 geführt, für Coach Larry Brown ein Vorgeschmack auf das, was seine Leute bei dem Turnier in Puerto Rico erwartet: „Teams, die schon lange zusammenspielen und die wir respektieren müssen.“ Die ersten Respektspersonen, auf die das US-Team trifft, sind heute die Brasilianer – eine jener Mannschaften im Zehnerfeld, welcher zugetraut wird, einen der drei Plätze für Athen zu ergattern. Andere heiße Kandidaten sind USA, Argentinien, Kanada und Puerto Rico.

Die Olympia-Qualifikation ist der erste Schritt einer groß angelegten Rehabilitationskampagne des US-amerikanischen Basketballs, der seine althergebrachte Vormachtstellung im lezten Jahr auf dramatische Weise erschüttert sah. Ein schmählicher sechster Platz bei der WM im eigenen Land, drei Niederlagen gegen Spanien, Argentinien und Jusgolawien, dies mit einer Mannschaft, die keineswegs aus lauter Gurken, sondern aus prominenten NBA-Profis bestand.

Vom Kreis der Gescheiterten sind nur Jermaine O’Neal und Elton Brand übrig geblieben, die heute nicht müde werden, über den Motivationsmangel ihrer Kollegen aus dem WM-Team zu klagen. „Eine Menge Mannschaften nehmen die Weltmeisterschaft ernst, wir taten das offensichtlich nicht“, sagt Elton Brand, während O’Neal „Wiedergutmachung“ für sich und den US-Basketball anstrebt. Olympia nimmt schließlich jeder ernst. War Indianapolis vor allem peinlich, wäre ein Debakel in Athen – also alles andere als die Goldmedaille – eine echte Katastrophe.

Klar geworden ist den Verantwortlichen, dass es nicht mehr reicht, einfach nur gute NBA-Spieler zu berufen. Es reicht aber auch nicht „ein All-Star-Team zu schicken“, weiß Larry Brown. „Der Rest der Welt hat uns nicht überholt, aber er hat aufgeholt“, analysiert NBA-Veteran Mark Jackson und fügt kritisch hinzu: „Bei uns lernt man Tricks, aber sie lernen, wie man das Spiel spielt und wie man gewinnt.“ Das wirkte sich bei der WM vor allem in der Defense aus, wo die US-Cracks oft hilflos zusehen mussten, wie sich die Gegner reihenweise Korbleger herauskombinierten.

Benötigt wird also eine Mannschaft, in der jeder einzelne Akteur die richtige Einstellung mitbringt und die zudem einigermaßen eingespielt ist. Weshalb Larry Brown schon die Qualifikation im Wesentlichen mit jener Besetzung bestreitet, die auch in Athen antreten soll. Tim Duncan, Tracy McGrady, Allen Iverson, Jason Kidd, Ray Allen, Karl Malone, Mike Bibby, Jermaine O’Neal sind gesetzt, dazu der wegen Vergewaltigung angeklagte Kobe Bryant, der in Puerto Rico nicht spielt und von Vince Carter vertreten wird. Lediglich die Plätze von Elton Brand, Richard Jefferson und Nick Collison werden für Athen neu vergeben.

Bereits das Match gegen Puerto Rico zeigte, dass es vor allem ein Spieler ist, auf den sich Larry Brown verlassen kann: Tim Duncan, der die Löcher in der Deckung stopfte, 15 Rebounds erhaschte und 21 Punkte holte, davon 15 im ersten Viertel, als sonst wenig lief. „Er ist alles, was unser Spiel ausmachen sollte“, schwärmt der Coach, „er ist einfach der Beste.“

Der Spektakulärste ist dagegen ohne Zweifel Tracy McGrady, der mit dem Turnier in Puerto Rico eine besondere Hoffnung verbindet: „Jedesmal, wenn du den Fernseher einschaltest, heißt es Kobe hier, Kobe dort. Ich wünschte, dass wir ein bisschen Aufmerksamkeit auf uns ziehen können.“

MATTI LIESKE