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■ Die BGH-Entscheidung ist kein Freispruch – immer noch droht den Holzschutzmittel-Managern eine VerurteilungDie Leidensgeschichte der Geschädigten geht weiter

Aufgehoben haben die Karlsruher Bundesrichter das Urteil im Holzschutzmittelprozeß – dem größten Umweltstrafverfahren dieser Republik. Die vom Bundesgerichtshof festgestellten Verfahrensfehler zwingen zu einer Wiederholung des Verfahrens. Das einjährige Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt hat den Geschädigten viel abverlangt, die langjährige Prozeßdauer des Strafverfahrens ist kaum noch zumutbar. Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes gehen wesentliche Teile des landgerichtlichen Urteils verloren, die für die Rechtsprechung in Chemie- und Umweltverfahren Bedeutung gehabt hätten.

Die Leidensgeschichte der Geschädigten geht damit weiter: Vor 20 Jahren haben die Opfer die Holzschutzmittel verstrichen, vor zehn Jahren wurden sie krank, vor fünf Jahren waren sie in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingebunden. Eine Leidensgeschichte der finanziellen Entbehrungen durch Sanierung, Auszug und schwere Erkrankungen. Ein Massenphänomen.

Die Dunkelziffer der Opfer liegt bei mehreren 100.000 Menschen. Jetzt müssen diese Menschen erneut vor Gericht – aber, soviel ist sicher, sie werden nicht locker lassen. Die Zivilverfahren, in denen es um Wiedergutmachung geht, liegen derweil weiter auf Eis. Die meisten Geschädigten hätten einen Schlußstrich akzeptiert, selbst wenn die Täter dabei mehr als glimpflich weggekommen wären. Auf der anderen Seite bietet die Neuverhandlung aber auch eine Chance: Es gibt heute viel mehr Ärzte und Wissenschaftler, die wissen, daß die Erkrankungen ihrer Patienten vergiftungsbedingt sind.

Immerhin wird noch eine Verurteilung für möglich gehalten – ansonsten hätten konsequenterweise die Giftpanscher freigesprochen werden müssen. Die generelle Kausalität, daß Holzschutzmittel schädlich sind, kann nicht abgestritten werden. Eine allgemeingültige Gegenbehauptung kann es nach dem ersten Frankfurter Verfahren und dessen wegweisender Bedeutung für die Toxikologie nicht mehr geben.

Es ist das Verdienst der Geschädigten, daß sich Ärzte und Wissenschaftler mit der Holzschutzmittelproblematik beschäftigt haben. Die Geschädigten haben ihre Erfahrungen in die Gesetzgebung eingebracht. Ohne sie gäbe es kein Verbot des Penthachlorphenols (PCP). Es waren die Opfer, die dringend notwendige, gesundheitspolitische und umweltpolitische Arbeit geleistet haben und den volkswirtschaftlichen Schaden, der durch den Einsatz der Holzschutzmittel entstanden ist, aufgedeckt haben. Seit 1983 besteht die Forderung nach der Einrichtung eines Fonds und schneller, unbürokratischer Hilfe für Holzschutzmittelgeschädigte. Die Geschädigten müßten nicht mehr in einem Prozeß ihre Schädigung umständlich nachweisen, sondern könnten sich einem Prüfverfahren unterziehen.

Angesichts der 2,4 Millionen Wohnungen, der Kindergärten, Schulen, Forsthäuser, Pfarrhäuser, die von 1965 bis 1985 mit PCP-haltigen Mitteln behandelt wurden, ist mit Sanierungs- und Krankenbehandlungskosten im Billionen-Mark-Bereich zu rechnen. Hinzu kommen die Entsorgungskosten: Mit PCP behandelte Produkte sind besonders überwachungsbedürftiger Abfall und müssen in Großfeuerungsanlagen verbrannt werden, die der 17. Bundesimmissionsschutzverordnung unterliegen, damit die sonst auftretenden massiven Dioxin-Emissionen unterbleiben.

Zu befürchten ist angesichts dieser Problematik – deren Lösung alle privaten, kommunalen und staatlichen Haushalte sprengen würde – die politische Notlösung: Per Gesetz werden hohe Grenzwerte festgelegt, die als unschädlich deklariert werden. Sanierungen, Schadensersatzprozesse und Arztbehandlungskosten entfallen so – der Staat überlebt, und der Geschädigte zahlt. Dieser Strategie von Umweltpolitikern und Industrie muß deshalb entschieden entgegengewirkt werden. Michael Blum

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