: Die Axt des Lehrlings
■ Coppolas »Dementia 13« und Delmer Daves »The Red House« im Checkpoint
Auch Genies haben mal klein angefangen. Während er noch an der UCLA in Kalifornien Film studierte, verdiente sich Francis Ford Coppola zwar weniger Meriten aber immerhin Geld und Erfahrung mit diversen Jobs für den B- Picture-Paten Roger Corman. Coppola hatte kurze Sex-Filmchen gedreht, als er Anfang der sechziger Jahre auf Corman traf und für diesen als Regieassistent, Dialogregisseur, Tonmeister oder Ausführender Produzent arbeitete.
1963 begleitete Coppola seinen Chef nach Irland, um dort bei der Produktion von »The Young Racers« mitzuarbeiten. Bei Corman war es ein durchaus übliches Verfahren, auf demselben Set mit denselben Schauspielern und demselben Stab gleich noch einen zweiten Film zu drehen, um die Kosten niedrig zu halten. So sollte auch Coppola anschließend an »The Young Racers« zu seiner ersten Regiearbeit kommen: »Die Schauspieler Luana Anders und Patrick Magee hatten noch Arbeitstage aus ihren Verträgen offen. Ich beschrieb Corman eine Szene, in der eine Lady in einen See geht, dort den Leichnam eines Kindes findet und mit einer Axt erschlagen wird. Da war alles drin, was Corman gefiel, das wußte ich.« Coppola behielt recht. Innerhalb von drei Tagen schrieb er ein Drehbuch, 20.000 Dollar kamen von Corman, weitere 20.000 besorgte Coppola selbst.
Die beschriebene Szene blieb denn auch leider die beste in »Dementia 13«. Bis der Axtmörder zuschlägt, erleidet der Zuschauer ein ganz klassisches Auf und Ab im Suspense, entspannt sich, fürchtet wieder um das Leben der Frau, beruhigt sich wieder, bis die Spannung so gesteigert wird, daß der Zuschauer vom Axthieb zwar noch überrascht ist, ihn aber als logische Konsequenz, gar als Erlösung akzeptiert. Der Film ist, was er bei diesen Produktionsbedingungen werden mußte: Ein überaus wirres Konglomerat aus Versatzstücken damals gängiger Horrorfilme. Da ist das Schloß, der dunkle Teich, eine durchgeknallte Familie, Intrigen, Eifersucht, etwas Liebe und angedeuteter Sex. Es ist ein kleiner, billiger, schmutziger Film, der offensichtliche Handlungslücken erkennen läßt, der fehlende logische Stringenz durch die Gedanken verschiedener Handlungsträger im Off-Ton zu verbergen versucht und noch nicht allzuviel vom gestalterischen Talent Coppolas offenbart. Immerhin, die Verwendung von Kinderreimen und das Kindheitstrauma als Grundmotiv weisen über die sechziger Jahre hinaus, sind Elemente, die vor allem in Horrorfilmen der Achtziger immer wieder gerne verwendet wurden.
Stark ist »Dementia 13« vor allem im Aufbau der Gruselszenen, die zeigen, daß Coppola schon damals in der Lage war, filmisches Handwerk perfekt zu adaptieren, einen Schritt weiter zu gehen und fast spielerisch mit den stilistischen Vorgaben umzugehen.
Das Checkpoint zeigt Coppolas unfertigen Erstling im Doppelprogramm mit »The Red House«, einem klassischen Horrorfilm seiner Zeit, der hübsch mit »Dementia 13« kontrastiert. »The Red House« von Regisseur Delmer Daves — in den Vierzigern und Fünfzigern ein durchaus vielbeschäftigter, wenn auch nicht berühmter Mann in Hollywood — ist wohldurchdacht, aber auch so offensichtlich in seinen verwendeten Klischees, daß erkennbar ist, wie Coppola durchaus eigenständig bestimmte Grundbedingungen des Genres entweder ignorierte oder grotesk übersteigerte. Wenn das Wetter stürmisch wird, ist auch die Geschichte aufregend, die Liebespaare küssen sich nur bei Sonnenschein, ein Großteil der Handlung spielt sich aus gruseltechnischen Gründen des Nachts im nahegelegenen Forst ab. Je näher das unvermeidliche tragische Ende rückt, desto öfter sitzt Robinson schwer sinnierend und von unten beleuchtet in seinem Ledersessel. Und nach der Tragik und ein paar Toten steht das Liebespaar natürlich umarmt vor einer weiten Landschaft.
Trotzdem ist der Film ein gutes Beispiel dafür, daß man auch mit solch bescheidenen Mitteln wie Musik, Bildern und Schnitt eine bedrohliche Atmosphäre schaffen kann. Eine Tatsache, die man sich im Zeitalter platzender Köpfe und explodierender Häuserzeilen durchaus wieder mal ins Gedächtnis zurückrufen sollte. Thomas Winkler
»The Red House« (OmU), 10.9.-14.9. und 16.9. um 20Uhr; »Dementia 13« (OmU), 10.9.- 14.9. und 16.9. um 22Uhr, am 15.9. um 20Uhr im Checkpoint Baby, Leipziger Str.55, Mitte
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