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Die Angst geht um

■ Beginn der Abschiebung bosnischer Flüchtlinge ist weiter ungewiß

Noch immer ist nach Aussage der Innenverwaltung unklar, wann die ersten bosnischen Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren müssen. „Erst müssen alle rechtlichen Voraussetzungen geschaffen sein“, sagte gestern der Sprecher der Innenverwaltung Thomas Raabe. So liefen derzeit zahlreiche Rechtsschutzverfahren, die eine Rückführung unmöglich machten. Nach wie vor halte das Land jedoch daran fest, Flüchtlinge notfalls zwangsweise zurückzuschicken.

Die Berliner Zeitung hatte berichtet, daß schätzungsweise mehrere hundert Bürgerkriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien seit dem 1. Oktober ihre Pässe abgeben mußten. Raabe bestätigte, daß es „gängige Praxis“ werde, die Pässe von Flüchtlingen, deren Duldung nicht verlängert werde, einzubehalten. Die betroffenen Bosnier, vor allem Unverheiratete und Ehepaare ohne Kinder, bekämen eine Frist von vier Wochen, danach müßten sie mit der Rückführung rechnen, sagte Raabe. Laut Ausländergesetz dürften Pässe ausreisepflichtiger Personen einbehalten werden.

Unterdessen wächst die Angst unter den Bosniern. „In den letzten zwei Wochen haben sich die Hilfesuchenden fast verdoppelt“, sagte Katharina Vogt, Leiterin der Beratungsstelle für ausländische Flüchtlinge der Arbeiterwohlfahrt. „Da geht die Panik um.“ So riefen Flüchtlinge an, die noch nicht von der Rückführung bedroht seien. „Sie trauen sich nicht mehr, alleine zur Polizei zu gehen, um ihre Duldung zu verlängern“, sagte Vogt.

Derzeit leben in Berlin 29.000 bosnische Flüchtlinge. Im Oktober läuft die Duldung für rund 1.400 von ihnen aus. Etwa 350, die erst nach dem Daytoner Abkommen vom 15. Dezember nach Deutschland einreisten, besitzen keine Duldung und müssen nach Aussage von Raabe jederzeit mit einer Rückführung rechnen. Zahlreiche von ihnen haben jedoch Rechtsschutzverfahren laufen, die zum Teil bereits beim Oberverwaltungsgericht lägen, sagte Raabe. Zuletzt hatte das Verwaltungsgericht am Montag drei Bosniern, die nach dem 15. Dezember kamen, eine Duldung bis zum 31. März 1997 zugesprochen. dpa

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