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Die Anderen: Politiken: Innenpolitische Situation der DDR / La Stampa: Auswirkungen des Reformprozesses der UdSSR auf die DDR

Politiken

Die liberale dänische Zeitung kommentiert die innenpolitische Situation in der DDR.

Die unzufriedenen Ostdeutschen demonstrieren nun gegen die verstockte Wir-alleine-wissen-alles-Haltung des Regimes nicht mehr nur durch tausendfache Flucht über Ungarn nach Westdeutschland. 8 000 Menschen gingen jetzt durch Leipzigs Straßen mit der Forderung nach Meinungs- und Versammlungsfreiheit und der Zulassung der neugebildeten Reformbewegung Neues Forum...

Die Reaktionen der Behörden waren nicht eindeutig. Der administrative und polizeiliche Rigorismus wird konterkariert von Erklärungen führender Kommunisten, daß der Flüchtlingsstrom Anlaß zum 'Nachdenken‘ sein sollte. Das ostdeutsche Angebot an die Flüchtlinge in der Prager Botschaft, daß sie bei vorheriger Rückkehr in die DDR eine Ausreisegenehmigung erhalten, deutet auch auf größere offizielle Flexibilität hin. Ob die mangelnde Eindeutigkeit auf Uneinigkeit in der Führung der DDR zurückzuführen ist, kann man noch nicht sagen.

La Stampa

Die liberale Turiner Tageszeitung beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Reformprozesses der UdSSR auf die DDR:

Noch gibt es keinen Grund, sich zu viele Sorgen zu machen. Die Hypothese einer deutschen Wiedervereinigung stellt sich noch nicht morgen in konkreten und sichtbaren politischen Begriffen. Was Sorgen macht, ist aber die Tatsache, daß zum ersten Mal seit dem Ende des Krieges die große Mehrheit der ostdeutschen Jugendlichen sich entschieden zu haben scheint, daß ihr künstlicher Staat, von Stalin und Ulbricht gegründet, keine historische Rechtfertigung mehr hat, von Westdeutschland getrennt zu bleiben.

Das wahre Vaterland für all diese Jugendlichen, die die Grenze zwischen Ungarn und Österreich überschreiten wollen, ist der Staat von Bonn, (...) Für diese Menschen ist dieses Drittel von Deutschland, in dem sie gezwungen werden, gegen ihren Willen zu leben, nichts anderes als ein momentanes Niemandsland unter sowjetischem Schutz: Wer dieses Land verläßt, begeht kein Verbrechen, sondern folgt praktisch einem moralischen und nationalen Imperativ.

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