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Die Anderen: Financial Times / Corriere della Sera: Krise in Polen

Financial Times

Die britische Wirtschaftszeitung gewinnt der Krise in Polen positive Seiten ab:

Die glänzende Nachricht aus Polen besagt, daß sich eine echte politische Krise anbahnt. Mit ein wenig Phantasie könnte man das Klima in Warschau heute fälschlicherweise für das von Rom halten. In seinem kühnsten Schachzug, seit die Wahlen im Juni der Solidarität einen überwältigenden Sieg bescherten, hat Lech Walesa der Bauern- und der Demokratischen Partei Ämter in einer von der Solidarität geführten Regierung angeboten. Indem er das tat, hat er sein Wort gebrochen, wonach er sich einer kommunistisch geführten Regierung für die kommenden vier Jahre bis zur Verwirklichung der vollen Demokratie unterwirft. Aber er hält sein Wort gegenüber dem polnischen Volk... Polen ist überreif für die Demokratie. Wenn es diese nicht bekommt, wird die neue Frucht abfallen und verfaulen.

Corriere della Sera

Der konservative Mailänder „Corriere della Sera“ kommentiert die politische Situation in Polen:

Man muß in der Geschichte sehr weit zurück gehen, im Leben dieses gequälten polnischen Volkes, um die Wurzeln dieser Entschlossenheit, dieser Phantasie, dieses erstaunlichen Mutes zu entdecken, den die Führer der Opposition an den Tag legen. Immer weiter drängen sie die Wächter der kommunistischen Macht in ihrem Land zurück, einen Schritt nach dem anderen zwingen sie die Kommunisten, weiteres Terrain aufzugeben.

Die Westeuropäer, die eine besondere Zuneigung für die Polen und ihr bitteres Schicksal haben, beobachten erstaunt und mit Bewunderung, was geschieht. Aber sie hegen auch eine gewisse Beunruhigung angesichts dieses schnellen Zerfalls der kommunistischen Macht in einem Land, das zwischen Russen und Deutschen gelegen ist, zwischen Ost und West, im Zentrum und im Herzen dieser gemeinsamen, wenn auch geteilten Sache, die den Namen Europa trägt. Haben es diese Polen nicht vielleicht ein bißchen zu eilig?

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