: „Die Ampel war kein grünes Wunschkind...“
■ Eine Zwischenbilanz der Ampel-Koalition von dem neuen Duo an der Spitze des Bremer Umwelt-Ressorts
taz: Es gibt viele in Bremen, die sagen: Eine Rot-Grüne Koalition wäre viel einfacher. Sie kommen aus dem Rot-Grünen Hessen und dem Rot-Grünen Frankfurt – können Sie das bestätigen?
Manfred Morgenstern: Eine Zweierbeziehung ist immer einfacher als eine Dreierbeziehung, das gilt bestimmt auch für die Politik.
Was für Konflikte kann man sich da ersparen?
Morgenstern: Man hat ein Problem weniger, man hat sich nur mit einem Partner abzustimmen. Was ich hier festgestellt habe, nach fünf Wochen: Die FDP ist hier sehr einseitig wirtschaftspolitisch orientiert und sehr reserviert gegenüber unseren Themen. Das kenne ich von der Frankfurter FDP nicht, wobei die FDP in Frankfurt nicht mehr im Stadtparlament vertreten ist. Das macht natürlich einen Unterschied. Aber im Umlandverband Frankfurt, in der regionalen Gebietskörperschaft, gibt es eine FDP, die sich aus vielen jungen Leuten zusammensetzt, das ist eine andere FDP als ich sie hier wahrnehme.
Die Ampel war kein grünes Wunschkind. Aber wäre es einfacher geworden, in Bremen Politik zu machen, wenn die FDP die Oppositionsreihen stärken würde?
Ralf Fücks: Wir hatten damals die Hoffnung, daß sich aus der Not eine Tugend machen läßt und daß sich ein Dreiklang von sozialpolitischer Verantwortung, ökologischer Erneuerung und Liberalität herstellen ließe. Inzwischen sind alle Akteure ernüchtert. Das Problem dieser Ampel ist bis auf den heutigen Tag, daß es keinen Grundkonsens in den politischen Schlüsselfragen gibt. Wenn man ernst nimmt, was Scharping in Halle formuliert hat als Marksteine sozialdemokratischer Reformpolitik – Arbeitsplätze, ökologische Erneuerung und soziale Gerechtigkeit – dann könnte das auch der Grundkonsens einer rot-grünen Koalition sein. Zwar würden die Zielkonflikte zwischen diesen drei Marksteinen weiter existieren, aber wir hätten wenigstens nicht das Problem, daß einer der Koalitionspartner ständig signalisiert, daß er eigentlich lieber in einer anderen Koalition wäre.
Scharping hat auch den Satz gesagt: Die Ökologie ist das Ziel, die Wirtschaft ist der Motor. In Bremen lahmt der Motor...
Wir sind dabei, den wissenschaftlich-technischen Rückstand in Bremen aufzuholen. Das drückt sich auch in den Schwerpunkten des „Sanierungsprogramms“ aus, eine Milliarde soll in die wissenschaftliche Infrastruktur gesteckt werden. Man kann die Früchte einer engeren Verbindung von Wissenschaft und regionaler Wirtschaft heute schon sehen, z.B. im „Technologiepark“ an der Universität. Auch die Umstellung der Elektronikindustrie von militärischen auf zivile Produkte ist vorangekommen. Dabei spielt Umwelttechnik eine große Rolle.
Das sind alles Felder für Subventionen, hat sich aber noch nicht in einer erhöhten Steuerkraft niedergeschlagen.
Fücks: Wirtschaftsstrukturpolitik ist immer Langzeitpolitik. Da kann man nicht innerhalb von zwei Jahren die Ergebnisse einer neuen Senatspolitik dokumentieren...
Das WAP ist älter als zwei Jahre
... der größte wirtschaftspolitische Erfolg war eher ein defensiver, nämlich zu verhindern, daß die Bremer Stahlhütte von den Konkurrenten plattgemacht wurde. Das hätte die Region ökonomisch und psychologisch kaum verkraftet.
Sonst macht Wirtschaftspolitik eher mit Spielereien von sich reden, mit dem Klangbogen, jetzt mit 600.000 Mark für ein Gutachten für ein Musical-Konzept.
Fücks: Das ist der verzweifelte Versuch, Anschluß zu gewinnen an Trends, die längst an uns vorbeigelaufen sind. Zum Beispiel an das Musical-Business oder das Messe-Geschäft. Es ist ein chronisches Bremer Problem, eher abgefahrenen Zügen nachzulaufen als neue Weichen zu stellen. Das Festklammern der Handelskammer und von CDU/FDP an der vorsintflutlichen Idee der „autogerechten Innenstadt“ ist noch so ein Beispiel.
Wenn Wirtschaftspolitik nur Langzeitprozesse beeinflußt, was kann man besser machen?
Fücks: Es hat sicher zu viele Mitnahmeeffekte aufgrund von unspezifischen Investitionszuschüssen gegeben.
Ist Eduscho jetzt nicht wieder ein Mitnahmeeffekt?
Fücks: Ist es sicher. Die Verlegung der Kaffeerösterei eines Milliardenkonzerns hängt nicht davon ab, daß Bremen diesen Zuschuß gezahlt hat. Man kommt aus einem eingebürgerten System aber nicht im Einzelfall raus, sondern nur, indem das Prinzip verändert wird. Die strategischen Zielsetzungen der Wirtschaftsförderung müssen neu definiert werden. Wir können nicht mit der Gießkanne, sondern nur mit Konzentration der Mittel Wirkung erzielen – vor allem auf moderne Dienstleistungen und ökologische Innovation. Wir haben z.B. jetzt noch die Chance, den Zukunftsmarkt „maritime Umwelttechnik“ zu besetzen, in ein paar Jahren ist auch dieser Zug abgefahren..
Der Umweltsenator ist für für die Energiepolitik zuständig. Der bremischen Politik ist es in den letzten zehn Jahren nicht gelungen, ihr eigenes Unternehmen Stadtwerke so zu führen, daß es moderne Technologiepolitik betreibt und rentabel ist. Deswegen sollen Anteile an Private verkauft werden, damit die es wenigstens rentabel machen. Politikversagen?
Fücks: Die Stadtwerke sind heute schon rentabel, wenn auch deutlich unter dem Zinssatz, den die Stadt für Bankkredite zahlen muß. Bei einer höheren Rendite wäre Anteilsverkauf kein Thema. In Bremen gab es eine Interessenallianz von Stadtwerke-Belegschaft, -Vorstand und SPD, die lange verhindert hat, innovative Energiepolitik zu machen und gleichzeitig für effiziente Kostenstrukturen zu sorgen. Mit dieser Hypothek schagen wir uns heute rum.
Seit langem wird von dezentraler Ressourcen-Verantwortung geredet, um endlich ein wenig Controlling in die staatliche Haushaltsführung hineinzubringen. Wann passiert endlich etwas?
Fücks: Bei den Eigenbetrieben haben wir damit angefangen; für die Verwaltung erwarten wir vom Finanzsenator die entsprechenden Gesetzesvorlagen zum Etat 1995.
Derzeit hat der öffentliche Dienst noch verblüffende Ähnlichkeiten mit dem „realen Sozialismus“: alle versuchen Geld und Personal zu maximieren und interne Reserven zu verstecken, es gibt keine Transparenz über Kosten und Effizienz, bei der Bezahlung gilt das Gleichheitsprinzip vor dem Leistungsprinzip. Es gibt Allianzen zwischen Politik, Verwaltung und privilegierten Subventionsempfängern. Es gibt zudem einen weitverbreiteten Konsens, daß jede berechtigte neue Anforderung nur durch ein Mehr an Geld und Personal abgedeckt werden kann. Dieses System ist in Bremen seit den 70er Jahren auf Pump finanziert worden und dann gegen die Wand gelaufen.
Was kann man aus Frankfurt lernen?
Manfred Morgenstern: In Frankfurt ist es noch nicht ganz so schlimm. Seit drei Jahren ist der Verwaltungshaushalt nicht gedeckt, das Problem ist da aber weniger die Akzeptanz in der Bevölkerung Bevölkerung als die Unentschlossenheit der Politik. In Frankfurt zerfleischen sich alle, in der SPD gibt es drei verschiedene Meinungen, wo man hinwill. Wie es auch gehen kann, zeigt sich am Beispiel Offenbach, das wir da vor der Haustür haben. Da hat der SPD-Kämmerer Grandke vor drei Jahren formuliert, wo er hinwill, das hat er sehr glaubwürdig dargestellt. Deswegen nehmen ihm die Leute die Sparpolitik nicht übel, Schließung von Theater und Schwimmbädern inclusive. Er ist jetzt mit 60 Prozent der Stimmen zum Oberbürgermeister gewählt worden.
Fücks: Die Leute sehen natürlich nicht ein, daß ein Freibad wegen fehlender 200.000 Mark gechlossen werden soll und gleichzeitig mal eben 600.000 Mark für ein Musical-Gutachten ausgegeben werden. Bei aller berechtigter Priorität für wirtschaftsbezogene Investitionen – die Schere zwischen Prestige-Projekten und notleidenden Alltagsstrukturen z.B. an den Schulen darf nicht zu groß werden. Sonst bricht die Akzeptanz weg.
Kann man das Umweltressort nicht zu einem Vorbild dafür organisieren, wie Verwaltungsreform laufen müßte? Was haben Sie vor?
Morgenstern: Umweltressorts haben in der Regel betriebliche Ämter mit großem Personalbestand: Abfallentsorgung, Entwässerung, Gartenamt etc. In diesen Ämtern gibt es häufig hohe Rationalisierungsreserven. Öffentliche Betriebe müssen sich den Herausforderungen des Wettbewerbs mit Privaten stellen, denn die Bürger, die mit Gebühren oder Beiträgen zur Kasse gebeten werden, haben Anspruch auf eine effiziente Leistungserbringung. Die Alternative zur Privatisierung ist, mehr Wettbewerb und wirtschaftliche Effizienz in den öffentlichen Dienst hereinzuholen.
Am vergangenen Dienstag war die Demonstration der Sonderschüler vor dem Rathaus und ein etwas hilfloser Bürgermeister Fücks. Da ist die Vermittlung der Sparziele nicht gelungen.
Fücks: Ich bin in diese Demonstration geraten wie die Jungfrau zum Kind und war hin- und hergerissen zwischen der Sympathie für diese Schüler und Eltern, die das Gefühl haben, sie werden abgehängt, und dem Wissen, daß ich ihnen keine leeren Versprechungen machen darf. Für mich war diese Demonstration Anlaß, nach dem Stellenwert des Primar- und Sonderschulbereiches und Prioritäten im Bildungsressort zu fragen. Im Sek-II-Bereich haben wir rein rechnerisch einen Lehrerüberhang von mehr als 400...
Das macht jeden Monat gut 2,5 Millionen an Personalkosten?
Fücks: Hier ist ein flexibleres Personalmanagement gefragt: Wer sich für neue Aufgaben qualifiziert, soll dafür Stundenermäßigung und bessere Aufstiegschancen erhalten.
„Die da oben“, die Regierenden, erleben das Volk entweder als Lobby oder verständnislos und „politikverdrossen. Fehlt es in Bremen an guter Politik oder an guter Publicity für die Politik?
Fücks: An beidem natürlich. Die Bremer Politik bringt keinen Konsens über Ziele und Gemeinwohlinteressen zustande, und umgekehrt scheint mir die Mischung aus Opfermentalität und aggressiver Rechthaberei bei den „Betroffenen“ in Bremen ganz besonders ausgeprägt, ob es um eine Deponieerweiterung oder um Sparbeschlüsse geht. Wenn ich mich umsehe, wie es im Rest der Welt aussieht, hat z.B. die Beschwörung von „Resignation, Empörung und Haß“ auf einer Bremer Lehrerversammlung schon etwas Bizarres. Das ist alles ein paar Oktaven zu schrill. Int.: K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen