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„Die Ampel ist hinter den Hoffnungen zurückgeblieben“

■ Gespräch mit Ralf Fücks über die Probleme der Ampel: Die FDP ist eine „Enttäuschung“ / Ampelskeptiker haben „Angst vor der eigenen Courage“

Lohnt sich die Ampel für die Grünen? Diese Frage hatte vor der Sommerpause der grüne Fraktionssprecher Dieter Mützelburg aufgeworfen und war zur resignativen Einschätzung gekommen: Nein. Laut Mützelburg ist die grüne Programmatik an der Regierungswirklichkeit gescheitert und das Personal der Grünen kaum geeignet, „harte Politikfelder“ entscheidend zu gestalten. Über die Situation der Ampel nach der Sommerpause sprachen wir mit dem grünen Koalitionsmanager Ralf Fücks.

taz: Der Schwung in der Ampel fehlt. Das meint nicht nur der grüne Fraktionssprecher Dieter Mützelburg, sondern auch andere Grüne. Sieht man das aus der Rolle eines Senators zwangsläufig anders?

Ralf Fücks: Was ich sehe, ist, daß zumindest im Senat engagiert und ernsthaft um Lösungen für Tagesfragen gerungen wird. Wenn es aber um über den Tag hinausweisende gemeinsame Perspektiven der Ampel geht, gibt es ein Defizit. Es ist ja nicht so, daß keine programmatischen Zukunftsvorstellungen existieren würden, aber sie sind in aller Regel kontrovers.

Das Gegenteil aber war der Ansatzpunkt für die Koalitionsverhandlungen. Da gab es das Schild: „Liberale, soziale und ökologische Positionen in Einklang bringen.“ Und es wurde der Versuch gemacht, dies in der Koalitionsvereinbarung im einzelnen durchzubuchstabieren. Ist die Umsetzung schon gescheitert?

Schon gescheitert, das ist mir zu schnell. Was auch nach meiner Wahrnehmung stimmt, ist, daß die Hoffnungen auf politische Erneuerung der SPD unter dem Schock ihres Wahlergebnisses bisher keine greifbaren Ergebnisse zeitigen. Die SPD fühlt sich eher eingeklemmt zwischen Grünen und FDP wie zwischen Baum und Borke und sucht noch nach einer eigenen Rolle und eigenem Profil.

Die FDP agiert bisher vor allem wirtschaftsliberal und ist eine Enttäuschung im Hinblick auf Gemeinsamkeiten für mehr Bürgerrechte und mehr Selbstverwaltung. Die Hauptkontroverse um das Projektfinanzierungsprogramm lief mit der FDP. Sie versteht Entstaatlichung nur im marktliberalen Sinn. Und die FDP war auch Hauptbedenkenträger, als es um eine Vertragslösung für das besetzte Haus in der Grünenstraße ging, auch das ein Modell ziviler Konfliktlösung.

Für die Grünen würde ich eine viel selbstbewußtere Bilanz ziehen, als das Dieter Mützelburg in seinem Papier gemacht hat. Wir haben eine ganze Reihe von Themen auf die Tagesordnung gesetzt, die ohne die Grünen allenfalls am Rande vorkommen würden. Und das sage ich nicht nur aus der Rolle des Ressorts, daß inzwischen ja ein Querschnittsressort geworden ist, das von der Hafen- über Technologiepolitik, Gewerbeflächen bis zum Wohnungsbau überall versucht, ökologische Handschrift deutlich werden zu lassen.

Es ist ja gut möglich, daß ein Koalitionsmanager und Senator in einem Querschnittsressort eine andere Wahrnehmung hat, als diejenigen, die hintendran die Brocken wegräumen müssen. Ist es nicht ein Problem der Grünen, daß zuviel an zuwenig Personen hängt und die Einbindung der Basis oder auch eins höher, der Fraktionäre, nicht richtig funktioniert?

Der grüne Fraktionssprecher ist ja selber Koalitionsmanager, also Insider, der durchaus das machtpolitische Instrumentarium zu bedienen weiß.

Trotzdem sehe ich, daß die Handlungsmöglichkeiten und die Erfolgserlebnisse ungleich verteilt sind. Ich finde es aber absurd, wenn die Fraktion ihr politisches Licht unter den Scheffel stellt. Da sind Personen, und da ist eine programmatische Kompetenz, da lecken sich die anderen Fraktionen die Finger danach. Am krassesten ist das Gefälle sicher zu den grünen Mitgliedern, die in den Beiräten oder den Stadtteilen die Regierungspolitik mehr erleiden, als sie sie selber gestalten können. Das ist sicher eine der Ursachen für Frustrationen, die sich bei Teilen des grünen Umfelds breitgemacht haben.

Mützelburg findet für diesen Zustand die Worte 'Warum die Grünen nicht regieren können.‘

Es gibt eine alte grüne Tradition, sich kleinzumachen und in Selbstkritik zu zerfleischen. Das hat gegenüber großmäuligem Schönreden sicher etwas Positives, aber die Grünen sind auch immer Meister in der Demontage von Personen und politischen Erfolgen gewesen. Es geht immer noch darum, den Rollenwechsel zu verarbeiten und zu akzeptieren, daß sich die politischen Rahmenbedingungen verändert haben. Kurz gesagt: Von einer Überflußpolitik zu einer Politik, die durch knappe Ressourcen bestimmt ist. Da ist es ein sehr viel größeres Kunststück, noch ein Reformprofil zu entwickeln.

Wenn ich mir die Politikfelder angucke, die die größten öffentlichen Hitzewellen hervorrufen, dann zeichnet sich in mehreren Bereichen eine Blockade ab. Ein Beispiel: Verkehrspolitik. Da schießt das Wirtschaftsressort derzeit gegen alle autoreduzierenden Maßnahmen. Wo sind die politischen Grundlinien, die nach außen signalisieren: Dies ist eine Regierung mit gemeinsamen Zielen?

Eine Vorentscheidung über die Existenzfrage, ob die Ampel mehr sein kann, als Notstandsverwaltung fällt im Zusammenhang mit dem Sanierungspaket, daß das Bundesverfassungsgericht für Bremen eingefordert hat. Da wird es darum gehen, ob ganz traditionelle Wachstumskonzepte fortgeschrieben werden sollen, oder ob es tatsächlich Prioritätensetzung in Richtung ökologischer Innovation gibt. Zum Beispiel auch in der Verkehrspolitik, wo tatsächlich in der Ampel die Position der autogerechten Stadt mit der Vision der autofreien Stadt kollidiert.

Nur diese Konflikte können nicht einfach dem guten oder schlechten Willen der handelnden Parteien zugeschrieben werden. Es sind tatsächlich massive gesellschaftliche Interessenkonflikte. Wenn die Blockade in der Verkehrspolitik sich nicht auflösen läßt, müssen wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und sagen: Hier wollen wir einen Bürgerentscheid über zwei unterschiedliche Szenarien der Verkehrspolitik für die nächsten 20 Jahre. Und da können wir dann auch in der Koalition eine kontroverse öffentliche Auseinandersetzung führen. Man muß über andere demokratische Formen der Konfliktlösung nachdenken, wenn es im Koalitionsausschuß nicht mehr weitergeht.

Sind die absehbaren Ergebnisse diese Mühen wert?

Was wir vorher nur theoretisch wußten, erfahren wir jetzt praktisch: Der Genosse Sachzwang ist in der Regel nicht unser Verbündeter. Es kostet einen ungleich größeren Kraftaufwand, eingefahrene Konzepte und Interessen zu verändern, als sie einfach fortzuschreiben. Das ist kraftraubend und geht auch an die persönliche Substanz. Das ist auch ein Hintergrund, aus dem das Papier von Dieter Mützelburg entstanden ist, und den man auch respektieren muß.

Sachzwang kann auch so dominant werden, daß sich die Frage stellt: Was soll das noch mit der Ampel. Bleiben wir bei der Verkehrspolitik. Wenn da aus dem Wirtschaftsressort im Schlepptau von Lobbyisten die Verkehrsberuhigung im Ostertor infrage gestellt wird und auch die Koalitionsvereinbarung Martinistraße auf dem Weg zur Makulatur ist, ist da nicht der Punkt gekommen, grundsätzliche Fragen zu stellen?

Man kann ja nicht behauten, daß wir als Ressort in den letzten Monaten lammfromm gewesen sind, als es darum ging, sich in die Politik der anderen einzumischen. An Konfliktfreude hat es nicht gefehlt. Es ist aber kein Ausweg mit der Lehre der reinen Opposition zu liebäugeln. Jeder weiß im Grunde, daß das politisch nicht mehr angemessen ist.

Das größte Defizit ist die sicher die Verkehrspolitik. Und da müssen wir uns überlegen, wie wir stärker in die Offensive kommen. Und wenn eben nicht innerhalb der Koalition, dann über den Weg eines Plebiszits.

Das Regieren bedarf aber auch einer Abwägung von Kosten und Nutzen. Die Antwort kann doch nicht sein, die reine Lehre des Regierens anzubieten.

Ich finde es aberwitzig, die Frage nach einer ernsthaften Erfolgsbilanz, die den Sinn oder Unsinn grüner Regierungsbeteiliging beinhalten soll, nach eine guten halben Jahr aufzuwerfen. Das empfinde ich als Angst vor der eigenen Courage. Jeder von uns weiß, daß es kein Zurück mehr geben kann zu einer Opposition der moralischen Unschuld und zur bloßen Parteinahme für das Schöne, Gute und Wahre. Dazu sind wir viel zu tief in den Widersprüchen der Wirklichkeit.

Gibt es eine absehbare Schmerzgrenze, von der an die Weiterarbeit in der Anmpel infrage steht?

Diese Grenze ist subjektiv verschieden. Für mich wäre sie erreicht, wenn ich das Gefähl hätte, bloß noch eine Alibifunktion wahrzunehmen und nichts mehr bewegen zu können. Aber ich bin da nicht der ausschlaggebende Maßstab für eine Entscheidung der Grünen. Alle wissen jedoch, daß der Löwenanteil der Grünen-Wähler erwartet, daß wir unsere politischen Konzepte und Programme der rauhen Luft des Regierungshandelns aussetzen.

Ich bin überzeugt davon, daß die große Mehrheit der Bevölkerung grünen Vorstellungen sehr viel näher steht als einer Handelskammerposition.

Welches Zeichen gibt es nach den ersten Monaten dafür, daß die Ampel etwas bewegt?

Für den Bereich Umweltschutz und Stadtentwicklung fällt mir eine Menge ein. Aber das ist sicher nicht der Erfolgsmaßstab für Leute, die stärker an Bildungs-oder Sozialpolitik orientiert sind.

Das Übergreifende, daß als für alle erfahrbare Veränderung geschafft werden muß, ist ein neuer politscher Stil, der Transparenz, Bürgerbeteiligung, Dialog als Chance einer Stadtrepublik versteht und nicht als Entscheidungsverzögerung. Das wünsche ich mir als gemeinsamens Markenzeichen, aber das ist noch sehr unterentwickelt. Was wir bisher zustandegebracht haben, fügt sich noch nicht zu dem Gefühl eines politischen Neuanfangs gegenüber der SPD-Regierungspraxis.

Gemessen an Ihren Erwartungen, welche Note verdient die Ampel?

Sie ist sicher hinter der Hoffung zurückgeblieben, daß aus dieser Dreierkonstellation etwas entsteht, in dem sich die positiven Seiten des Liberalen, des Sozialen und des Ökologischen bündelt. Trotzdem sehe ich keine Alternative zu der Koalition, um eine politische Perspektive für Bremen zu finden.

Die Arbeit ist viel nüchterner und konfliktreicher, als wir uns das gedacht hatten. Aber das ist kein Grund, das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Man gewöhnt sich dran?

Das Gewöhnen hat so einen resignativen Unterton. So geht es mir aber nicht. Grüne können pragmatisch mitregieren und gleichzeitig für ihre Zukunftsvorstellungen streiten. Ich sehe nicht, daß wir darüber in einen Spagat kommen, der uns unglaubwürdig macht. Fragen: Holger Bruns-Kösters

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