: Die 6'30 bleiben
■ Der Schauspieler Dietmar Schönherr über seine Walser-Kritik bei der Gala zur Goldenen Kamera
taz: Nachdem Sie am Dienstag die Goldene Kamera bekamen, kündigten Sie an, genau hinzuschauen, wenn das ZDF die Aufzeichnung der Gala am Sonntag um 21.40 Uhr ausstrahlt. Warum?
Dietmar Schönherr: Weil es verschiedene Auseinandersetzungen um meinen Redebeitrag gab. Die meisten Gäste, die von meinen Äußerungen angetan oder begeistert oder gerührt waren, haben gesagt, wir fürchten, das ZDF wird dich rausschneiden.
Was haben Sie denn gesagt?
Vor einigen Wochen hat ein Mann meiner Generation eine schwammige, mißverständliche Rede gehalten ...
... Sie meinen Martin Walser ...
Dieser Mann hat Unfrieden gestiftet, er sprach von der Technik des Wegschauens und Wegdenkens. Ich sagte, ich möchte bei dieser Gelegenheit an die vielen Kollegen erinnern, die von einem mörderischen Regime umgebracht oder in den Selbstmord getrieben worden sind. Dann habe ich eine Liste von zwölf Menschen gesprochen, Schriftsteller, Filmschauspieler, Kabarettisten. Sie waren hochgeliebt, hochgefeiert, und trotzdem wurden sie ermordet. Viele von ihnen hätten nicht nur eine, sondern mehrere Goldene Kameras bekommen. Einen Satz, den ich zum Schluß sagen wollte, habe ich bedauerlicherweise weggelassen: Von Normalität kann erst die Rede sein, wenn eine solche Äußerung nicht mehr als Fremdkörper empfunden wird.
Auch andere Beiträge müssen gekürzt werden. Sie haben 6 Minuten 30 geredet.
Wenn etwas einen solchen Inhalt hat, der ja mit dieser Branche elementar zusammenhängt, dann darf man es nicht schneiden. Das wäre Zensur. Da gibt es gar keine Kompromisse.
Hat das ZDF reagiert?
Der ZDF-Programmdirektor rief mich gerade an und sagte, es wird in voller Länge gesendet.
Gestern noch sagte der Sender der taz, Ihr Beitrag würde natürlich gekürzt werden. Wie kam es zu dem Meinungsumschwung?
Das weiß ich nicht, ich war ja bei den Sitzungen nicht dabei. Ich habe heute früh mit dem Regisseur gesprochen, der ein guter Freund von mir ist. Den habe ich gebeten, wenn Kürzungen vorgenommen werden müssen, dann soll man mit mir darüber sprechen.
Werden Sie trotzdem am Sonntag abend mit der Stoppuhr vor dem Fernseher sitzen?
Ich weiß ja jedes Wort, was ich gesagt habe, da brauche ich keine Stoppuhr. Natürlich schaue ich es mir an. Interview: Patrik Schwarz
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