■ Rückblick: Dezentrale Lichter
Bis zu zwei Millionen Menschen haben 1992/93 in ganz Deutschland an den Lichterketten gegen Ausländerfeindlichkeit teilgenommen. Trotzdem weiß auch fünf Jahre später kaum jemand zu sagen, wer damals die bisher größte antirassistische Massenbewegung der Bundesrepublik organisierte. Der CDU-Rechte Heinrich Lummer vermutete schon damals ein „Volksfrontbündnis“ am Werke, manche linke Kritiker verdächtigten Medienkonzerne, das vorweihnachtliche Volksempfinden in fernsehwirksame Bahnen gelenkt zu haben. In Wahrheit gab es kein zentrales Kerzen- Komitee.
Sondern die Idee stammte von vier Einzelpersonen in Bayern, darunter dem Journalisten Giovanni di Lorenzo, der Chefin einer Werbeagentur und einem Fersehproduzenten. Nachdem bei der ersten Lichterkette am 6. Dezember 1992 in München 400.000 Menschen ihre Kerzen auf die Straße getragen hatten, riefen in anderen Orten unterschiedlichste Bündnisse zu ähnlichen Demonstrationen auf.
Wie auch den Studentenstreiks des Jahres 1997 wurde den Lichterketten mangelnde Radikalität unterstellt, sie seien in Wahrheit ein „Begräbnisritual des politischen Protests“, formulierte ein Kritiker in der taz. Verteidiger werteten sie (ebenfalls in der taz) als „Meditationen der Stille“, die mit dem Verzicht auf landläufiges Demonstrationszubehör wie Parolen, Transparente und Reden eine „Antwort auf die Krise institutionalisierter Politik“ böten. Als Vorboten einer Bürgergesellschaft seien sie ein Beweis, daß das Volk nicht immer eines Vertreters bedürfe, um Kernanliegen zu artikulieren. P. Schwarz
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