Deutschlands Image in Polen: Der Ruf ist ruiniert

Die Ampelkoaltion hat Deutschlands Ansehen in Polen geschadet. Polens Präsident wirft Berlin nun sogar Wortbruch vor.

Präsident Duda und Präsident Selenskyi mit bewaffneten Personen.

Kritiker des deutschen Zögerns: Polens Präsident Duda bei Präsident Selenskyi in Kiew am 22. Mai Foto: reuters

WARSCHAU taz | Die Berliner Ampelregierung hat den Ruf Deutschlands im Nachbarland Polen ruiniert. Vom „verlässlichen Partner, guten Nachbarn und Freund Polens“ ist seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine keine Rede mehr. Bislang war es nur die nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die bei jeder Gelegenheit gegen die Deutschen hetzte. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar sehen allerdings alle Polen täglich und mit wachsendem Entsetzen, dass deutsche Politiker unfähig sind, schnelle Entscheidungen zugunsten der Opfer in diesem Krieg zu fällen.

Ins polnische Gedächtnis eingebrannt hat sich die erste deutsche Hilfslieferung von nur 5.000 Schutzhelmen, deren Lederteile von den ukrainischen Soldaten als „schimmelig“ bezeichnet wurden. Für viele Polen ist daher schon heute klar: sollte die Ukraine diesen Krieg verlieren, wird neben Russland vor allem ein Land schuld sein – Deutschland.

Nun wirft auch noch Polens Präsident Andrzej Duda den Deutschen Wortbruch vor. Bundeskanzler Olaf Scholz höchstpersönlich habe einen Panzer-Ringtausch „Alt gegen Neu“ versprochen. So habe Polen den Ukrainern über 200 Panzer sowjetischer Bauart zur Verfügung gestellt, von den Deutschen bis heute aber keinen Ersatz dafür erhalten. Das sei für Duda eine „große Enttäuschung“. Dass Polen im Tausch für die Uralt-Panzer, die das Nato-Mitglied ohnehin entsorgen musste, das allerneueste und auch teuerste Leopard-Modell von den Deutschen forderte, erwähnte Duda mit keinem Wort.

Polen wirft Deutschland vor den Krieg zu finanzieren

Doch auch Deutschlands Präsident Frank-Walter Steinmeier reagierte nicht auf den schwerwiegenden Vorwurf seines polnischen Amtskollegen. Das mag daran liegen, dass Duda Steinmeier im April eingeladen hatte, ihn und die drei baltischen Präsidenten auf ihrer Reise nach Kiew zu Präsident Selenski zu begleiten, ohne sich zuvor in Kiew vergewissert zu haben, ob eine so große Reisegruppe überhaupt willkommen sei. Steinmeier wurde brüsk ausgeladen, als er bereits in Warschau war und am Tag darauf die gefährliche Zugreise durch das Kriegsgebiet antreten wollte. Zwar soll er sich Wochen später mit Selenski in einem Telefongespräch versöhnt haben, doch ob das Vertrauen zwischen Duda und Steinmeier wiederhergestellt ist, weiß niemand.

Zuvor hatte sich Polens Premier Mateusz Morawiecki (PiS) immer wieder selbst das Verdienst zugeschrieben, wenn die Deutschen leichte Waffen, Munition oder was auch immer an die Ukraine geliefert hatten. Bei den geplanten EU-Sanktionen gegen Russland forderte Polen immer wieder lautstark den totalen Energieboykott und warf Deutschland vor, Russlands blutigen Krieg zu finanzieren. Da die PiS-Propagandamedien – dazu gehört auch das ehemalige öffentlich-rechtliche Fernsehen – dies jeden Tag mehrfach wiederholten, übernahmen mit der Zeit fast alle anderen Medien dieses Narrativ.

Aus Deutschland kam keine klare Antwort, keine Erklärung für das „moralische Versagen“ der Ampel mitten im Krieg. Auch viele Oppositionspolitiker und Deutschland-Experten wie beispielsweise der Ex-Premier und frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk werfen Deutschland vor, „mitverantwortlich an der gegenwärtigen Situation in der Region zu sein“, sich nun aber nicht eindeutig genug – in Worten und Taten – auf die Seite der angegriffenen Ukraine zu stellen. Man könne den Eindruck gewinnen, dass Deutschland die falschen Lehren aus der Geschichte gezogen hätte. Bei den Sanktionen gegen Russland hätten die Deutschen durch ihr ständiges Bremsen Schande auf sich geladen, zusammen mit Italien und Ungarn.

Wojciech Pięciak, Außenpolitik-Chef des katholischen Polit-Magazins Tygodnik Powszechny, zieht in seinem jüngsten Artikel sogar die deutsche Nato-Bündnistreue in Zweifel: „Was würde Olaf Scholz tun, wenn Putin seine Ambitionen über die Ukraine hinaus ausweiten würde? Wir wissen es nicht, und das macht uns Angst.“

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