: „Deutschlands Grenzen unumstritten“
De Maiziere bemühte sich in Straßburg um eine eigene Position / Klare Haltung zu Polens Westgrenze ■ Aus Straßburg Michael Bullard
Europa hat einen neuen Fan: Lothar de Maiziere. Bei seinem ersten Besuch des Europäischen Parlaments am Mittwoch und Donnerstag in Straßburg begeisterte der DDR -Ministerpräsident sein Publikum mit Euro-Symbolismus: Er habe den Weg nach Europa gefunden, den seine hugenottische Familie vor 300 Jahren auf der Flucht vor Unfreiheit begonnen habe. Das Parlament glich denn auch eher einem Wallfahrtsort für Euro-Gläubige. Tausende von Besuchern mischten sich unter die Abgeordneten, Journalisten und EG -Politiker.
Der neugebackene Europa-Bürger genoß es sichtlich, im Rampenlicht des West-Interesses zu stehen: „Unter einem europäischen Dach“ soll die deutsche Einigung vonstatten gehen. Deswegen strebe die DDR-Regierung eine „schnelle Teilnahme am europäischen Geschehen an“. Bei den EG -Institutionen wäre er für einen Gast-Status dankbar, denn: „Wir können uns auch selbst vertreten“.
Ausweichend reagierte er auf die Frage der künftigen Repräsentation der DDR-Wähler auf EG-Ebene: „Natürlich sollen die noch einzurichtenden fünf Länder der DDR in den europäischen Gremien angemessen vertreten sein“. Wie und wann das geschehen soll, blieb allerdings unklar.
Beifall erhielt de Maiziere, als er sich von seinem Ziehvater Kohl in der Frage der Sicherheitspolitik absetzte: „Nicht ein entmilitarisiertes, aber ein stark abgerüstetes Deutschland“ strebe er an. Dazu gehöre auch „die Errichtung einer gesamteuropäischen Sicherheitsunion“. Auf die Nato angesprochen, sagte der DDR-Chef, das vereinigte Deutschland müsse das Recht haben, einem Bündnis anzugehören. Bedingung sei allerdings, daß andere Staaten das Bündnis nicht gegen sich gerichtet empfinden. Der gesamteuropäischen Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit komme deshalb eine besondere Bedeutung zu. „Die DDR-Integration in die EG darf keine neuen Barrieren gegen Osteuropa schaffen.“
Dissens mit Kohl zeichnete sich auch in der Frage gesamtdeutscher Wahlen im Dezember ab. Vorbedingungen für solche Wahlen sind laut de Maiziere, daß die DDR -Bundesländer wieder installiert und die Vier-plus-zwei -Verhandlungen zur Zufriedenheit aller abgeschlossen sind. Druck auf diese Gespräche auszuüben, hält er für falsch, was in Straßburg den Eindruck hinterließ, daß er gesamtdeutschen Wahlen im Dezember eher skeptisch gegenübersteht. Deutliche Worte fand de Maiziere in Bezug auf die polnische Westgrenze: „Deutschland hat keine umstrittenen Grenzen mehr. Es wird aus dem Staatsgebiet der DDR, der BRD und den beiden Teilen Berlins bestehen. Punkt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen