: Deutscheres Europa
Einzelheiten des neuen deutsch-französischen Vorschlags zur EU-Reform: Mehr Deutsche, mehr Mehrheitsentscheidungen, weniger Kommissare
PARIS/BERLIN afp ■ Die deutsch-französische Einigung über eine Reform der EU, auf die sich die Europaminister beider Staaten nach einem Bericht der französischgen Tageszeitung Le Monde geeinigt haben, erstreckt sich auf alle Bereiche der EU. So soll Deutschland künftig entsprechend seiner Bevölkerungszahl im EU-Ministerrat mehr Gewicht als Frankreich, Italien und Großbritannien erhalten. Derzeit verfügt Deutschland mit seinen 82 Millionen Bürgern im Rat über zehn Stimmen und befindet sich damit gegenüber den kleineren Staaten im Nachteil, die gemessen an ihrer Bevölkerungszahl relativ mehr Stimmgewicht haben.
Bei den Überlegungen zur Reform der Ratsentscheidungen sei unter anderem das Modell einer „doppelten Mehrheit“ im Gespräch, wonach eine Mehrheitsentscheidung im Rat nur gelten soll, wenn die zustimmenden Staaten tatsächlich auch über das erforderliche Bevölkerungsgewicht verfügen. Außerdem soll der Zwang zur Einstimmigkeit bei Ratsentscheidungen zugunsten der qualifizierten Mehrheitsentscheidungen zurückgedrängt werden.
Die qualifizierte Mehrheitsentscheidung solle künftig die Regel sein, wobei das Prinzip der Einstimmigkeit aber in vier wesentlichen Punkten fortbestehen soll: bei Entscheidungen, die eine Ratifizierung durch die nationalen Parlamente erfordern, bei Entscheidungen mit verfassungsrechtlichem Charakter, bei solchen zu Verteidigungsfragen und solchen, die einen Rückschritt bei der europäischen Integration bedeuteten.
Auch in einer weiteren Schlüsselfrage der EU-Reform, dem Prinzip der verstärkten Zusammenarbeit von EU-Kernländern in bestimmten Bereichen, wurde laut Le Monde Einigkeit erzielt. Diese solle künftig nicht mehr wie bisher an die Zustimmung aller übrigen EU-Partner geknüpft sein – was diese Art der Zusammenarbeit de facto verhinderte. Vielmehr wollten Paris und Berlin dieses „Vetorecht“ abschaffen und die verstärkte Zusammenarbeit auch in der Außenpolitik einführen.
Ferner einigten sich Berlin und Paris dem Bericht zufolge darauf, die Zahl der EU-Kommissare von derzeit 20 deutlich zu verringern. Künftig solle jedes Land einen Kandidaten für einen Kommissarsposten in Brüssel vorschlagen, über den dann der Kommissionspräsident entscheiden werde. Dabei soll aber praktisch ausgeschlossen sein, dass die fünf großen EU-Staaten, die derzeit jeweils zwei Kommissare stellen, künftig gar keinen Vertreter mehr in der Kommission haben.
Schließlich besteht laut Le Monde Einigkeit über die Zahl der Abgeordneten des Europäischen Parlamentes, die auf 700 begrenzt werden soll.
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