■ Kommentar: Deutscher Schießbefehl
Nehmen wir mal an, ein serbischer Soldat verfolgt aufmerksam die „Deutsche Welle“. Fast täglich ist da im knatternden Tranistor- Radio politische Prominenz aus Regierung, Parteien und gesellschaftlichen Institutionen zu hören mit einer scharfen Verurteilung des serbisch/kroatischen Krieges gegen die moslemischen Bosnier. Und nehmen wir weiter an, daß der Soldat das nicht nur als leeres Geschwätz nimmt, sondern als Aufruf, das systematische Morden zu beenden. Er läßt sich überzeugen, denkt, da bin ich doch gemeint, packt seinen Rucksack und verschwindet durch die Nacht und über die grüne Grenze bis nach Bremen.
Hier meldet sich der Deserteur stolz bei der Polizei, und zeigt seine Hände: „Seht her, zwei Hände weniger an der Gurgel Bosniens.“ Die amtliche Antwort, ein paar Tage später, lautet: „Desertion ist strafbar, guter Mann, in Deutschland wie in Serbien. Es ist das gute Recht deines Staates, dich dafür in den Knast zu stecken. Damit dieses Recht geschehe, schicken wir dich so schnell wie möglich zurück nach Belgrad.“
Nehmen wir weiter an, auch diese Meldung gelangt per „Deutscher Welle“ in die serbischen Stellungen. Lange rätseln die Soldaten, was Deutschland damit sagen will. Am Schluß einigen sie sich auf diese Version: Auf Deutschland muß man nicht hören. Denn die wissen ja überhaupt nicht, was sie wollen. Wenn wir schießen, sollen wir aufhören. Aber wenn wir aufhören, sollen wir möglichst schnell wieder schießen.
Dirk Asendorpf
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