■ Querspalte: Deutsche raus - aber wohin?
Irgendwann landen sie alle in der Werbung. Nicht nur Typen wie Gottschalk und Boning, die ja genau dort hingehören, in die Gummibärchen-, Viertelpfünder- und Crash-Test-Dummie-Welt. Der Salonessayist Nikolaus Sombart pafft ebenfalls gegen Geld. Die Rolling Stones, Bon Jovi und Genesis sind für VW am Start. Und Manfred Krug bewürbe am liebsten alles. Aber auch eine Hymne des zu Recht verehrten Bob Dylan, „The times, they are a-changing“, dudelt mittlerweile im Auftrag einer kanadischen Bank. Allein Stoppok und Neil Young stehen mit ihren hausschlappenbreiten Koteletten noch gegen die Wühltischisierung des Selbst.
Sogar ein scheinbar hundertprozentig sicheres Bollwerk gegen Kommerz und Ausbeutung hat es jetzt erwischt: die autonome Antifa. Ihren Schlachtruf „Nazis raus!“ hat ihnen, nur geringfügig modifiziert zu „Deutsche raus!“, der Münchner Reiseveranstalter Sixt abgeluchst – der mit Hilfe des ursprünglich ausländerfreundlich gemeinten Diktums aber bloß Fernreisen feilbietet. Das ist natürlich bitter und hätte massenhaft junge Menschen mit um Kopf und Kragen gewickelten Palästinenserlappen auf die Straßen treiben müssen.
Es kam aber ganz anders: Ausgerechnet die Jungen Nationaldemokraten Münchens liefen Sturm und erstatteten Strafanzeige gegen Sixt – wegen Volksverhetzung. Denn was ein anständiger NPD-Nachwuchs ist, der kann das Hetzen nicht einfach anderen gestatten und sich von simplen Reisekaufleuten seine „Ausländer raus!“-Kampagne kaputtmachen lassen. Das ist einmal eine schöne Protestbewegung: Nazis gegen Volksverhetzung.
Und um das alte Antifa-Problem – Nazis raus! – ja klar, aber wohin? Wer will die haben? Und mit welchem Recht wollen die Deutschen ihren Hausmüll einfach anderen Leuten vor die Haustür kippen? – zu lösen, ergeht folgendes Urteil: Schon nächste Woche sehen wir die Nazis in einem Werbespot der Firma Sixt genau das skandieren, was sie so quält. Aber laut und deutlich bitte. Wiglaf Droste
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