Deutsch-israelische Beziehungen: Neues Jugendwerk geplant
Familienministerin Paus unterschreibt in Israel eine Vereinbarung dazu. Kanzler Scholz bekräftigt den Kampf gegen Antisemitismus.
Am Montag legten Bundeskanzler Olaf Scholz und der israelische Ministerpräsident Jair Lapid in Berlin nach. Das Ziel: Die Gründung des Jugendwerks und damit die Intensivierung des Jugendaustauschs zwischen beiden Ländern. Dieser Plan hat eine lange Vorgeschichte, vielleicht ist er wichtiger denn je und umgesetzt ist er noch lange nicht.
Israel sei ein enger Freund und Partner, bekräftigte Scholz am Montag in Berlin. Auch Lapid betonte die Bedeutung der Absichtserklärung für ein solches Jugendwerk. Am Nachmittag besuchten Scholz und der israelische Ministerpräsident das Haus der Wannseekonferenz. Dort fand ein Treffen mit Holocaustüberlebenden statt, die mit Lapid aus Israel angereist waren. Ein solches Treffen auf deutschem Boden sei „ein Augenblick des großen Sieges für sie“, sagte Lapid, der selbst Nachkomme von Holocaustüberlebenden ist.
Scholz versicherte Lapid, dass der Kampf gegen Antisemitismus der wichtigste Auftrag sei. „Die Shoah darf niemals relativiert werden“, so der Kanzler. Antisemitische Äußerungen ließe man niemandem durchgehen. Scholz äußerte sich auch im Zusammenhang mit einem Treffen mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas in Berlin im August. Abbas hatte mit holocaustrelativierenden Äußerungen für massive Kritik gesorgt. Scholz war vorgeworfen worden, im Anschluss an die Pressekonferenz nicht schnell und vehement genug reagiert zu haben. Lapid lobte jedoch die anschließende Reaktion des Kanzlers: Es sei offensichtlich gewesen, dass Scholz von den Äußerungen überrascht worden sei.
Neue deutsch-israelische Initiative soll Austausch fördern
Nun soll also ein gemeinsames Jugendwerk die Beziehungen beider Staaten weiter stärken. Die Idee: Gerade in Ländern, die durch eine gemeinsame Geschichte getrennt und verbunden zugleich sind, sollen Begegnungen zwischen jungen Leuten dafür sorgen, dass es eine gemeinsame Zukunft im gegenseitigen Respekt und Verständnis gibt. Eine besonders lange Tradition hat das 1963 gegründete deutsch-französische Jugendwerk mit bis zu 200.000 Jugendbegegnungen im Jahr.
Mithilfe des 1991 gegründeten deutsch-polnischen Jugendwerks kommen jährlich nach Angaben des Familienministeriums bis zu 120.000 deutsche und polnische Jugendliche zusammen. 2021 wurde außerdem ein deutsch-griechisches Jugendwerk gegründet. Auch zwischen Deutschland und Israel gibt es schon länger einen organisierten Austausch. Doch die Zahlen sind vergleichsweise niedrig: Rund 6.000 junge Menschen besuchen jährlich das eine oder das andere Land, im Rahmen von Begegnungen zwischen Sport-, Musik-, Kulturvereinen oder Freiwilligendiensten. Dazu kommen Schulungen und Besuche von Fachkräften, die mit Jugendlichen arbeiten.
2018 gab es schon einmal den Anlauf einer deutschen Familienministerin, diese Zusammenarbeit zu intensivieren. Auch damals hatten Franziska Giffey (SPD) und der damalige israelische Erziehungsminister Naftali Bennett die Absicht erklärt, ein deutsch-israelisches Jugendwerk zu gründen. Eine entsprechende Erklärung unterzeichneten auch die damalige deutsche Bundeskanzlerin und der israelische Staatspräsident. Doch in den Regierungswirren Israels – aktuell stehen die fünften Neuwahlen in dreieinhalb Jahren an – passierte wenig Konkretes.
In Deutschland steht das deutsch-israelische Jugendwerk allerdings im Koalitionsvertrag und vor dem Hintergrund antisemitischer Vorfälle ist der Auftrag drängend, mehr junge Menschen aus beiden Ländern zusammenzubringen. Zugleich gibt es fast keine Zeitzeug:innen mehr, die in Gesprächen Jugendliche eindringlich für die Folgen von Hass und die Schrecken der Shoah sensibilisieren. Eine traurige Tatsache, die nach neuen pädagogischen Konzepten verlangt.
Gegen Antisemitismus, für Demokratieförderung
„Wir vertiefen die Zusammenarbeit und stellen sie auf neue Füße“, sagte Familienministerin Paus nun bei der Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung mit ihrer Amtskollegin am Sonntagabend in Jerusalem. Neben der Erinnerung an die Shoah soll es in den Begegnungen auch um Projekte etwa im Klimaschutz gehen. Doch bei dem Treffen im israelischen Bildungsministerium wird auch klar: Dieses Jugendwerk wird ein besonderes, auch das erfordert die gemeinsame Geschichte.
„Die bisherigen Jugendwerke können wir nicht als Blaupause nehmen“, sagte Paus. Ihre Amtskollegin Biton stellte klar, dass es keine gemeinsame Institution geben wird – wie das etwa in der Zusammenarbeit mit Polen und Frankreich der Fall ist. Vielmehr soll es das deutsch-israelische Jugendwerk nur auf deutscher Seite geben, auf israelischer Seite soll eine neue Einheit innerhalb der bestehenden staatlichen Strukturen zum Jugendaustausch gegründet werden. Ob die Zusammenarbeit – wie mit Frankreich und Polen – zu gleichen Teilen finanziert werden soll, bleibt ebenfalls zu klären.
Offensichtlich ist, dass gerade Deutschland mehr Geld einbringen muss als bisher, um in einer neuen Struktur mit mehr Verwaltung am Ende nicht weniger Geld für den eigentlichen Austausch zu haben. Dass also irgendwann noch das Bundesfinanzministerium eingebunden werden muss, sei klar, sagte Paus.
Hoffen auf baldige konkrete Ergebnisse
Seit 2019 wurden bereits 5,5 Millionen Euro für die Vorbereitung und Gründung von der Bundesregierung bereitgestellt, aber nur zum Teil abgerufen. Das Auswärtige Amt ist neben Kanzleramt und Familienministerium in Arbeitsgruppen vertreten. Im Moment läuft der außerschulische Austausch – und der steht im Fokus der Initiative – auf deutscher Seite über die staatlich finanzierte Koordinierungsstelle ConAct. Darauf soll aufgebaut werden. Partner auf israelischer Seite ist bereits jetzt die für Jugendaustausch zuständige Stelle.
Der Wille sei auf beiden Seiten stark, bekräftigen alle Beteiligten. Eine deutsch-israelische Arbeitsgruppe soll schon im Oktober zusammenkommen. Familienministerin Paus hofft auf möglichst konkrete Ergebnisse – bevor am 1. November in Israel schon wieder gewählt wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Doku über deutsche Entertainer-Ikone
Das deutsche Trauma weggelacht
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Schwarz-Grün als Option nach der Wahl
Söder, sei still!