: Designerdrogen sind weiter im Kommen
■ Laut der offiziellen Statistik sinkt die Zahl der Drogentoten. Der Drogenbeauftragte rät: Mit den Niederländern über ihre liberale Politik reden
Bonn (dpa) – 1.565 Menschen starben laut offiziellen Angaben im vergangenen Jahr an Drogen. Laut der gestern veröffentlichten Statistik ist die Zahl der Drogentoten in Deutschland damit im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 Prozent gesunken. Dabei nehmen zwar weniger Menschen Heroin, dafür aber immer mehr aufputschende Mittel wie Ecstasy und andere sogenannte Designerdrogen. Dies sind die Kernaussagen der Bilanz 1995, die der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Eduard Lintner (CSU), gestern in Bonn vorgestellt hat. Dabei schätzen Jugendliche laut Lintner die Gefährlichkeit der Pillen immer noch falsch ein: 15 Todesfälle seien 1995 direkt auf Ecstasy-Konsum zurückzuführen gewesen.
Stolz ist Lintner auf den sinkenden Gebrauch von Heroin. So sank die sichergestellte Menge laut der Statistik gegenüber 1994 von knapp 1,6 Tonnen auf 933 Kilogramm. Auch wurden 18 Prozent weniger Heroin-Erstkonsumenten registriert (6.970 gegenüber 8.501). Diese Entwicklung sei die Folge vielfältiger Hilfsangebote und des Bewußtseins, daß Heroingebrauch zu Elend und Tod führe, so Lintner. Auch hätten sich Beschlagnahmungen außerhalb Deutschlands – entlang der „Balkan-Route“ seien 4,6 Tonnen Heroin sichergestellt worden – ausgezahlt. Rückläufig waren der Bilanz zufolge auch die gefundenen Mengen an Marihuana (10.436 Kilogramm gegenüber 21.660 im Jahr 1994) und Haschisch (1995: 3.809 Kilo, 1994: 4.033).
Einen „dramatischen Zuwachs“ beobachtete der Drogenbeauftragte dagegen bei synthetischen Drogen, die vorwiegend in der Altersgruppe der 18- bis 30jährigen verbreitet seien. Um mehr als 50 Prozent stieg 1995 die Zahl der sichergestellten Pillen und Kapseln bei Amphetaminderivaten wie Ecstasy (von 239.000 auf jetzt über 380.000), bei LSD-Trips sogar um über 100 Prozent (von knapp 30.000 auf mehr als 71.000). Bei den Amphetamin-Erstkonsumenten wurde ein Anstieg von 33,7 Prozent (von gut 2.300 auf über 3.100) registriert. Nach Polizei-Erkenntnissen gab es 2.371 Erstkonsumenten von Amphetaminderivaten. Hier fehlt dem Bericht zufolge ein Vergleichswert für 1994, weil die Entwicklung noch „zu jung“ sei. Der Kokainkonsum stagniert laut Lintner: Die Zahl der Erstkonsumenten sank gering von 4.307 auf 4.251.
Von den Drogen sind, so Lintner, je nach Stoff, zwischen 58 und 91 Prozent über die „europäische Rauschgift-Drehscheibe“ Niederlande importiert worden. Die dortige Drogenpolitik will Lintner am 7. März zum Gegenstand eines europäischen Gipfelgesprächs machen, an dem auch Bundeskanzler Helmut Kohl und Frankreichs Staatspräsident Jaques Chirac teilnehmen wollten. Auch Chirac drängt die Niederländer bereits seit längerem öffentlich, ihren relativ liberalen Umgang mit Konsumenten und Kleinhändlern sowie die Quasi-Legalität von Haschisch und Marihuana aufzugeben.
Für die Bundesregierung schloß Lintner eine Liberalisierung oder Freigabe des Marktes für sogenannte weiche Drogen aus. Vorbeugung und Therapie hätten weiterhin Vorrang, wobei verstärkt die Hilfe privater Institutionen nötig sei. Über Methadon-Programme für Schwerstabhängige gebe es nach wie vor „erheblichen Aufklärungsbedarf“.
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