: Der weite Weg nach Atlanta
Ein in Berlin lebender Afghane beantragt ein Einreisevisum für die USA, um seine todkranke Mutter ein letztes Mal zu besuchen. Aber so einfach ist das offenbar nicht
Eigentlich wollte Abdullah Feda nur seine todkranke Mutter im Krankenhaus besuchen. Der Afghane, der in den 80er-Jahren in der DDR studierte, lebt seit 1995 fest in Deutschland, besitzt eine Aufenthaltsgenehmigung und eine unbefristete Arbeitserlaubnis. Seine Mutter war 1994 in die USA ausgewandert und lebte als US-Staatsbürgerin in Atlanta.
Im vergangenen Mai erkrankt Fedas Mutter schwer. Als sich ihr Zustand zusehends verschlechtert, will der 39-jährige Ökonom und Übersetzer zu ihr in die USA fliegen. Als Afghane benötigt Feda ein Visum für jede Einreise in die Vereinigten Staaten. Er reiht sich also in die Schlange vor dem amerikanischen Konsulat ein und beantragt ein Visum. Aber so schnell geht das nicht: Die Entscheidung über seinen Antrag nehme zehn Tage in Anspruch, heißt es in der Behörde. Da hilft auch das Schreiben aus dem Krankenhaus in Atlanta nicht, das den schlechten Gesundheitszustand der Mutter bestätigt. Es sei der letzte Wunsch der Mutter, ihren einzigen noch lebenden Sohn zu sehen, heißt es darin. Die Ärzte erhoffen sich von einem Besuch Fedas sogar positive Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Mutter. Trotzdem muss er warten.
In seiner Hilflosigkeit wendet sich Feda an die Beratungstelle des Gemeinwesenvereins Heerstraße Nord im Bezirk Spandau. Deren Mitarbeiter versuchen ihrerseits, Kontakt mit dem US-Konsulat aufzunehmen und um Verständnis für Fedas prekäre Situation zu werben. Vergeblich: Zu den Mitarbeitern, die Visumanträge bearbeiten, dringen sie telefonisch gar nicht durch. Sie landen nur wiederholt in einem Callcenter, ein fester Ansprechpartner steht ihnen nicht zur Verfügung. Und das für knapp zwei Euro pro Minute. Petra Sgodda vom Gemeinwesenverein ist ernüchtert: „Es war wie ein Lauf gegen die Wand.“
Abdullah Feda wartet vergeblich. Nach zehn Tagen hat er immer noch nichts vom Konsulat gehört. Zwei Wochen nach dem Antrag kommt dann der Schock: Seine Mutter stirbt in Atlanta – ohne den Sohn noch einmal gesehen zu haben.
Mit dem Schreiben der Klinik in der Hand, das den Tod seiner Mutter bestätigt, macht sich Feda abermals zum amerikanischen Konsulat auf. Diesmal scheitert er schon am Einlass. Den Brief kann er auch nicht abgeben. Ohne Termin wird er nicht in das Gebäude eingelassen – und mit einem afghanischen Pass schon gar nicht. So interpretiert Feda jedenfalls den rüden Ton, mit dem er verwiesen wird. Weitere Briefe und Faxe, die er schickt, bleiben unbeantwortet. Es scheint tatsächlich eine Wand zu geben, die es Feda unmöglich macht, in die USA einzureisen und wenigstens bei der Beerdigung seiner Mutter dabei zu sein.
Nachdem die taz den Sprecher der US-Botschaft nach den Gründen für die verschleppte Bearbeitung des Visumantrags fragt, erhält Feda einen Anruf von einer Mitarbeiterin der Botschaft. Sie erklärt ihm, dass noch kein Visum erteilt werden konnte, da der Bescheid aus den USA noch ausstehe. Sie verspricht, mit dem Konsul zu sprechen. Der taz gegenüber verweist der Presseattaché der US-Botschaft darauf, dass sich die reguläre Wartezeit von zehn Tagen durch „besonderen zusätzlichen Klärungsbedarf oder Verwaltungsvorgänge“ auf bis zu 30 Tage ausdehnen kann. Des Weiteren sei das Konsulat nicht befugt, Visaangelegenheiten gegenüber Dritten zu kommentieren.
Feda hat den Verdacht, dass es eigentlich um etwas anderes geht: „Nur weil ich einen afghanischen Pass habe, bin ich kein Terrorist.“ Seine „Seele sei verletzt“, im Verhalten der US-Behörden kann er nichts „Menschliches“ erkennen. Aber Feda wartet weiter – auch wenn es mittlerweile schon zu spät ist.
SEBASTIAN LEHMANN