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Der neue von Siemens ist der alte von Siemens

■ Studie des Öko-Instituts über den „Europäischen Druckwasserreaktor“

Berlin (taz) – Die Atomkraftwerke, die in der Bundesrepublik noch Strom erzeugen, dürften heute nicht mehr genehmigt werden. Sie genießen lediglich einen Bestandsschutz. Bundesregierung, Gewerkschaften und Energieversorger verlangen seit zwei Jahren einhellig, daß selbst beim schwerstmöglichen Unfall, der sogenannten Kernschmelze, die radiaoktive Verseuchung auf die unmittelbare Umgebung eines Atomkraftwerks begrenzt werden kann.

Mit einem Reaktor, der diesen Sicherheitsanforderungen genügt, suchen die deutsche Siemens und die französische Framatome einen Ausweg aus der politischen Sackgasse. Schon im nächsten Jahr soll das technische Konzept soweit fertiggestellt sein, daß mit der Suche eines Standorts für den Prototyp begonnen werden kann. Der Bau selbst soll dann im Jahr 2000 in Angriff genommen werden.

Nur mögen selbst die Energieversorgungsunternehmen an den Sinn dieser Pläne nicht recht glauben. Sie erhalten nun Argumentationshilfe von Greenpeace. Die Umweltorganisation hat beim Öko-Institut Darmstadt ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die Autoren Lothar Hahn und Roland Bähr kommen zu einem verheerenden Ergebnis: Der EPR (für: European Pressuized Water Reactor) genannte Reaktor werde „die Forderungen der Politik“ nicht erfüllen, „die vorgeschlagenen Maßnahmen können die grundlegenden Defizite der vorhandenen Anlagen nicht beseitigen“.

Mehr noch: Im Zuge der „Harmonisierung der Genehmigungspraxis zwischen Deutschland und Frankreich“ sei sogar „eine Rückstufung der Auslegungskriterien zu befürchten“.

Auch die Siemens-Techniker scheinen vor allem darauf gebaut zu haben. Neues ist ihnen kaum eingefallen. Eine doppelte Außenhaut und ein Keramikbecken sollen den durchbrennenden Kern im Gehäuse halten. Für besonders abwegig halten die Gutachter die Idee, den im schlimmsten Fall entstehenden Wasserstoff frühzeitig zur Explosion zu bringen: Das sei wohl eher eine Methode, die Katastrophe herbeizuführen, als sie zu verhindern.

Weit bedenklicher dürfte die Energieversorger jedoch stimmen, daß das Öko-Institut die mutmaßlichen Kosten des Projekts mit seinem wirtschaftlichen Nutzen vergleicht. Konkurrenzfähig wird der EPR-Reaktor erst ab einer Leistung von mehr als 1.000 Megawatt – beherrschbarere Kleinanlagen scheiden aus diesem Grunde aus. Profitabel würde der EPR-Gigant aber erst, wenn acht bis zehn Stück in Auftrag gegeben würden. Niklaus Hablützel

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