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Der neue Golf BSE mit Rindsledersitzen

■ Adrette Witze und Geschichtchen über Übel, die uns alle noch befallen werden: Kröhnert, Venske, Herrchens Frauen in 2001 in Alma Hoppes Lustspielhaus

Wenn einer erzählt, er kenne einen irre guten Sketch über den neuen Golf BSE mit Rindsledersitzen, wird einem ganz mulmig zumute. Wir, die wir früher schallend über Kohls Realsatire gekichert haben, werden merkwürdig still, wenn es um zeitgenössische Übel geht. Wie kommt das eigentlich? Sind wir dünnhäutiger oder schlicht älter geworden? Oder könnte es sein, dass uns die neue Dimension des Übels deshalb schreckt, weil seine Grundlagen eventuell in jener Vergangenheit gelegt wurden, in der wir noch fröhlich Fleisch fraßen, oder Gras in unseren Brennesseltee rührten, ohne zu ahnen, was da so keimte? Und dass wir das schlimmer finden, als AKW & Co, an die wir uns ja längst gewöhnt haben, obwohl die Tschernobyl-Halbwertzeit noch längst nicht rum ist? Stille Nacht, und bald – vielleicht aber auch erst in 15 Jahren – sind auch wir gänzlich umnachtet, könnte man da mit Nils Loenicker, dem Intendanten von Alma Hoppes Lustspielhaus, sagen, der den BSE-Sketch eigentlich nur als Vorgeschmack auf die kommende Saison gedacht hatte.

An einer Tankstelle spielen soll am vierten April zum Beispiel die neue Alma-Hoppe-Produktion, deren Regie Henning Venske übernimmt. Ihr Titel: Einfach Super. Stattfinden soll die „Numkmernrevue“ zwischen Zapfsäulen – „da, wo jeder mal hinmuss“, so Loenicker. Aber warum nicht am Anfang anfangen mit der 2001er-Vorschau: Seinen Jahresrückblick bietet Henning Venske vom 5. bis zum 13. Januar, und später im Januar wird Reiner Kröhnert die Zuschauer beglücken: mit dem Kabarett-Thriller Honnys Rache. Und wer nicht allzu großen Wert auf literary correctness legt und die Peer-Gynt-Anspielung nicht übel nimmt, kann sich natürlich auch des Titels (und, eventuell, auch des Programms) von Hans Scheibner erfreuen, der Mit voller Kraft drumrum zu reden und zu scharwenzeln gedenkt.

Noch intensiver werden dies die Mitwirkenden der Jubiläumsveranstaltungen zum Siebenjährigen des Lustspielhauses tun, das – mit einer Spezial-Gala – am 25. März begangen wird. (Auf des Lustspielhauses Dachboden hausen übrigens , dies sei mal kurz erwähnt, sieben Sorten Fledermäuse, deretwegen keine komplett neue Klimaanlage zur Bewältigung der während der Vorstellungen auftretenden Hitze installiert werden kann, wohl aber ein Klimabegrenzer, der die Temperatur nicht über eine bestimmte Gradzahl steigen lässt.)

Im Festprogramm zum Jubiläum also werden Kabarett-Kapazitäten wie das Düsseldorfer Kom(m)ödchen, die Distel, Kröhnert, Scheibner und, live aus Hamburg, Herrchens Frauchen vertreten sein. „Einen fast täglichen Wechsel im Programm“ verspricht Loenicker, der sich freut, die Hemmschwelle bei den ZuschauerInnen überwunden zu haben: „Die Auslastung ist dieses Jahr auf rund 75 Prozent gestiegen; Tendenz steigend. Die Akzeptanz als Volltheater ist also inzwischen da.“ Zugegebenermaßen würden zwar hauptsächlich ZuschauerInnen bedient, „die mit uns erwachsen geworden sind“, also die ab 35-Jährigen; der Zuschauerzuwachs betreffe die 40- bis 70-jährgen, während die 18- bis 20-Jährigen weniger geworden seien. „Aber dem kann man nur begrenzt entgegenwirken: Die Fun-Generation hat einfach einen anderen Zugang zu unsereren Themen“, beobachtet Loenicker. „Wenn unsere personellen und zeitlichen Kapazitäten es erlauben, gehen wir auf Anfrage durchaus in Schulen, um, wie in diesem Jahr, Themenabende oder Workshops anzubieten.“

Zwingen könne man aber natürlich keinen – eine Einstellung, die vermutlich auch den sieben Fledermaus-Sorten zwischen den Hoppeschen Dachbalken gefiele, die natürlich unter Naturschutz stehen. Ob indessen Arten wie die Großhufeisennase, das Mausohr und die Mopsfledermaus im Hoppeschen Biotop vertreten sind, müsste der Naturliebhaber gegebenenfalls selbst eruieren... Petra Schellen

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