: Der neue Boß
Zum Einzug Walter Mompers ins Rote Rathaus ■ K O M M E N T A R
Markierte die taz-Wortschöpfung Schwierzomper in den vergangenen Wochen noch eine Kooperation der beiden Halbstadtchefs, ist sie jetzt nicht mehr zu gebrauchen. Berlin, und zwar ganz Berlin, hat seit gestern zwar eine provisorische Übergangsregierung. Der Chef dieser in der Welt wohl einmaligen Exekutive aber heißt Momper, diesmal ohne Schwierz.
Was Momper gestern nach gemeinsamer Sitzung von Magistrat und Senat anmahnte, fiel eigentlich in Schwierzinas Ressort. Gleich zweimal rügte er die DDR-Regierung, sprach von „weltfremden, bürokratischen“ Entscheidungen, fühlte sich als ideeller Gesamtberliner von Eppelmann gar „beleidigt“. Solche Töne waren von Mompers Alter ego bisher nicht zu hören, er ist auch nicht der Typ dafür. Um einem finanziellen Bankrott Berlins vorzubeugen, ist aber auch Lautstärke nötig. Momper argumentiert für Berlin als ganzes mit mißtrauischem Blick aufs Portemonnaie, Schwierzina organisiert mit Innenstadtrat Krügers Hilfe den Abzug der Verwaltungsapparatschicks. Soweit die Arbeitsteilung.
Daß der Magistrat erst einen Stopp für Grundstücksverkäufe ausspricht, um das Verbot schon am nächsten Tag, von Protesten irritiert, wieder aufzuheben, dürfte in Zukunft kaum noch vorkommen. Schließlich machen sich die SenatorInnen nun alle zwei Wochen mit ihrem künftigen Arbeitsplatz, dem Roten Rathaus, vertraut. Und zwischendurch sind ja ihre Beamten da. Tatsächlich kann der Magistrat bei seiner maroden Verwaltungsstruktur nicht auf West-Import verzichten. Seine Aufgabe nach der Währungsunion ist Krisenmanagement.
Die neue Berliner Regierung ist gleich zweimal einmalig. Zum einen arbeitet sie nicht auf Verfassungs-, sondern Konsensbasis, zum anderen ist auch ihre politische Zusammensetzung - Rot-Grün-Schwarz - einzigartig. Falls die AL nicht schon vorher wegen grundsätzlicher Bedenken abspringt, dürfte das sogar bis zum Herbst funktionieren. Dann aber ist CDU-Vereinigungsparteitag. Und dann ist auch Herr Diepgen im Kabinett „vertreten“.
Claus Christian Malzahn
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