piwik no script img

Der lästige Kandidat

Die neogaullistische RPR hat den Pariser Bürgermeister Jean Tiberi von seinen Parteiämtern suspendiert

PARIS taz ■ Jean Tiberi, der lästig gewordene Bürgermeister von Paris und hartnäckige Kandidat für seine eigene Nachfolge, ist seit gestern ein Mann ohne Parteiapparat. Die RPR suspendierte ihn als Generalsekretär des größten Ortsverbandes der Partei. Parteichefin Michèle Alliot-Marie rechtfertigte das mit “Unregelmäßigkeiten“ in der Pariser RPR. Die neogaullistischen Abgeordneten im französischen Parlament spendeten Applaus. Aber Tiberi kämpft weiter. Die Entscheidung nannte er „faschistisch und stalinistisch“. Seine Kandidatur erhält er aufrecht.

Tiberis Sturz wurde im Parteipräsidium besiegelt, als seine Mitarbeiter letzte Woche 1.500 Parteimitglieder in die Pariser RPR-Kartei mit insgesamt knapp 11.000 Mitgliedern eintragen wollten. Bis auf 50 Personen erwiesen sie sich als „fiktive Mitglieder“- viele leben weit weg von der Hauptstadt, andere haben keine nachweisbare Beziehung zur Partei und wieder andere sind längst verstorben.

Ein Jahr vor den Kommunalwahlen ist damit der schwelende Konflikt in den Reihen der Konservativen um die Macht in Paris zu einem offenen Krieg geworden. „Jeder neue Auftritt dieses Mannes kostet uns ein paar Hundert Stimmen“, hieß es in den vergangenen Tagen auf Parteiversammlungen über Tiberi. Selbst sein langjähriger Vertrauter, Staatspräsident Jacques Chirac, hatte ihn fallen gelassen.

Tiberi war 1985 vom damaligen Pariser Bürgermeister Chirac zum Generalsekretär des Ortsverbandes bestimmt worden. Dort wurde der kleine Korse der “Patron“, der die Pariser Parteigeschäfte aus dem Hintergrund bestimmte. Als Chirac 1995 in den Elysée-Palast umzog, trat Tiberi aus den Kulissen und wurde Bürgermeister. Doch bald schon sickerten Indiskretionen gegen Tiberi an die Öffentlichkeit. Über seine Vergabe von Sozialwohnungen an Familienangehörige und politische Freunde. Und über die RPRler, denen er im Rathaus fiktive Jobs schuf.

Doch der Mann erwies sich als hartnäckig. Er verkündete trotzig, er wolle bei den Komunalwahlen 2001 erneut kandidieren. Seinem alten Freund im Elysée-Palast drohte er mit der Veröffentlichung unangenehmer Details aus Paris. Gestern öffnete Tiberi seine Wahllisten für all jene, „die gegen die Machenschaften und Manöver des Establishments sind“. DOROTHEA HAHN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen