: Der ganz private Atomausstieg
Hamburger Privathaushalte können sich von alternativen Stromfirmen versorgen lassen. Kiel will AKW Brunsbüttel abschalten ■ Von Gernot Knödler
Ab sofort kann jeder Hamburger persönlich aus der Atomenergie aussteigen. Wie die alternativen Energieversorger „Vasa Energy“ und „Ökostrom Handels AG“ gestern bekanntgaben, beliefern sie seit dem 1. Februar die beiden ersten Privathaushalte in der Hansestadt. Bisher konnten nur Großabnehmer ihren Vertrag mit den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW) kündigen und über deren Leitungsnetz umweltverträglichen Strom statt solchen aus Kraftwerken beziehen.
Die beiden Hamburger Energie-Lieferanten kaufen Strom aus erneuerbaren Quellen. Dazu gehören hauptsächlich Solar- und Windkraftanlagen, aber auch Biomasse, Wasserkraft, Wellen- und Gezeitenkraft sowie Erdwärme. Den Strom schicken die Unternehmen in das Netz der HEW und stellen ihn den Kunden in Rechnung. Für die Durchleitung der sauberen Energie verlangen die HEW eine Gebühr. „Der durchschnittliche Haushalt hat dadurch Mehrkosten von zehn Mark im Monat“, sagt Jan Peters von Ökostrom.
Für diesen Aufpreis erhält der einzelne Kunde – physikalisch gesehen – zwar nicht genau jenen Strom, der in den umweltfreundlichen Anlagen erzeugt wird. Das ganze Stromnetz funktioniert vielmehr wie ein See, in den auf der einen Seite Wasser hineingeschüttet und aus dem auf der anderen Seite geschöpft wird. Die alternativen Versorger garantieren, daß mindestens soviel politisch korrekter Strom eingespeist wie abgezapft wird.
Für den Fall, daß die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht, stellen die Versorger Strom aus energieeffizienten Blockheizkraftwerken bereit. Ökostrom garantiert, daß höchstens die Hälfte der gelieferten Energie aus solchen Anlagen stammt. Der Rest soll aus erneuerbaren Quellen kommen.
Der Weg zum persönlichen Atomausstieg ist also denkbar leicht. „Einfach 040/28 40 65 - 0 anrufen; wir senden Ihnen die Verträge zu“, sagt Peters. Der Aussteiger muß lediglich dreimal unterschreiben: den Vertrag mit dem neuen Anbieter, die Belehrung über seine Widerspruchsrechte und die Kündigung bei der HEW. Alles weitere regelt der alternative Versorger.
Der Weg hierhin war steinig, davon kann Ökostrom-Kunde Heinz Otto ebenso ein Lied singen wie Timm Krägenow: Gleich nachdem 1998 das neue Energiewirtschaftsgesetz in Kraft trat, versuchte der Redakteur des Greenpeace-Magazins zu wechseln. Endlose Diskussionen über die Modalitäten und horrende Gebührenforderungen seitens der HEW waren die Folge. Erst nach zähen Verhandlungen reduzierte der Konzern die Durchleitungsgebühren auf akzeptable 10,58 Mark pro Kilowattstunde. Vasa und Ökostrom erwarten nun viele weitere Stromwechsler. Die HEW haben reagiert und angekündigt, in Kooperation mit der Deutschen Shell Strom allein aus erneuerbaren Quellen anzubieten.
Auch die schleswig-holsteinische Landesregierung bastelt am Ausstieg. Das AKW Brunsbüttel soll bis zum Jahr 2002 stillgelegt werden, sagte Energieminister Claus Möller (SPD) gestern. Er forderte die HEW auf, den Bau eines Kohlekraftwerks und eines Zwischenlagers für Atommüll in Brunsbüttel zu beantragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen