■ Die USA sind im Bereich des Datenschutzes ein Entwicklungsland: Der europäische „Sonderweg“
In Deutschland ist die europäische Datenschutzrichtlinie zwar noch nicht gesetzlich umgesetzt. Dies ändert aber nichts daran, daß sich die Bürger auf die morgen in Kraft tretende Richtlinie berufen können. Vor allem die künftigen Übermittlungen in die USA unterliegen erhöhten Datenschutzanforderungen. Datenschutz ist in den USA derzeit noch ein Fremdwort. Dies zeigte sich nicht nur an der ungenierten Internet-Veröffentlichung des Starr-Reports über Clintons Sexualleben. So wurde gerade bekannt, daß Microsofts WebTV in den USA das gesamte Konsumverhalten auswertet, zu Persönlichkeitsprofilen verdichtet und für Marketing- und sonstige kommerzielle Zwecke verkauft. Große EDV-Dienstleister wie EDS, die für die staatliche Verwaltung ebenso wie für Großunternehmen tätig sind, dürfen fremde Daten auch zweckwidrig nutzen. In den USA kann man alles über andere Menschen erfahren, von Internet-Gewohnheiten bis hin zu Details über persönliche, intime oder finanzielle Verhältnisse, wenn man nur bereit und in der Lage ist, genug dafür zu bezahlen. All dies ist nach europäischen Standards illegal.
Wollen die USA künftig nicht von der Datenkommunikation mit Europa abgeschnitten werden, so müssen sie ihr Recht ändern. Ein angemessener Datenschutzstandard kann nur dann angenommen werden, wenn klare Zweckbindungsregelungen gelten und eine unabhängige Datenschutzkontrolle eingerichtet ist. Bei der Verarbeitung von Arbeitnehmerdaten müssen Mitbestimmungsmöglichkeiten gewährleistet sein. Zugleich geht es nicht an, daß die Menschen sich mit für sie vertrauenswürdiger Verschlüsselung vor elektronischer Ausforschung nicht selbst schützen dürfen.
Gegenüber Flüchtlingen aus dem „Drittausland“ hat sich Europa als Festung verschanzt – auf der Strecke bleibt das Grundrecht auf Asyl. Schottet sich jetzt Europa gegenüber dem Drittausland „USA“ ab, so schadet es nicht, sondern es dient diesmal dem Schutz von Bürgerrechten. Informationstechnisch gehören die USA sicher mit zur Spitze; datenschutzrechtlich sind sie eine Bananenrepublik. Wer sich in der Kryptodebatte derart protektionistisch verhält, kann kein europäisches Entgegenkommen beim „free flow of informations“ erwarten. Daher sind die EU- Gremien gut beraten, sich bei den Verhandlungen mit den USA nicht mit Unverbindlichkeiten und reinen Selbstverpflichtungserklärungen der Industrie abspeisen zu lassen. Die Datenschutzrichtlinie legt insofern strenge Rahmenbedingungen fest. Thilo Weichert
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