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■ Der belgische Monarch dekorierte Gauner und RadikaleDie Verschleuderung von Ehren

Brüssel (taz) – Vielleicht ist es ja wirklich nur ein Zufall, daß der belgische König ausgerechnet in dieser Woche zum Staatsbesuch nach Deutschland gereist ist. Vielleicht lag der Termin aber auch schon lange vorher fest. Dann kann man durchaus von Glück sprechen. Oder sollte der clevere König vielleicht höchstselbst so geschickt terminiert haben? Egal! In jedem Fall blieb ihm dadurch erspart, etwas zum flämischen Nationalfeiertag sagen zu müssen.

Am 11. Juli erinnern sich die Flamen alljährlich an die Goldsporenschlacht von 1302, die so heißt, weil damals ein flämischer Haufen aufgebrachter Handwerker ein ganzes französisches Ritterheer niedermetzelte und anschließend 500 Goldsporen aufsammelte. Das blutige Heldenepos ist inzwischen fest im stahlharten Griff rechtsradikaler flämischer Gruppen, die an diesem Tag ihre Haßtiraden auf die französischsprachigen Belgier absingen und -grölen. Bei solchen Gelegenheiten kann der König nach aller Erfahrung nur das Falsche sagen.

Das Erscheinungsbild der belgischen Monarchie ist zur Zeit ohnehin etwas ramponiert, seit letzte Woche bekannt wurde, daß der König sieben Persönlichkeiten mit einem Orden behängt hat, denen die Justiz auf den Fersen ist. Sie sind allesamt in die Schmiergeldaffäre um den Kauf militärischer Hubschrauber verwickelt. Um den Auftrag zu bekommen, hatte die italienische Rüstungsschmiede Agusta 1988/89 den flämischen und den wallonischen Sozialisten mal eben einige Millionen für die Parteikassen geschenkt.

Unter den königlich Ausgezeichneten ist auch der gerade erst zurückgetretene Außenminister Frank Vandenbroucke, sowie sein ebenfalls über Agusta gestürzter Kollege aus dem Telefonministerium, Guy Coeme.

Nato-Generalsekretär Willy Claes, der als früherer Wirtschaftsminister auch an der Hubschraubergeschichte beteiligt war und mit dem die Justiz voraussichtlich im September wieder engeren Kontakt aufnehmen wird, ging bei der Ordensverleihung diesmal leer aus.

Dafür bekam Graf Thierry de Looz-Corswarem Edelblech – obwohl der König normalerweise nicht mit dem Grafen verkehren würde, weil der nämlich für die geächtete rechtsradikale Front National im Brüsseler Parlament sitzt.

Auf den Leserbriefseiten der belgischen Zeitungen kocht jetzt die Volksseele über. „Ich protestiere gegen die Verschleuderung von Ehren“, mault beispielsweise ein aufrechter Belgier, „Orden sind eine Objekt der Anerkennung und des legitimen Stolzes“, die nicht an solche Krautjunker vergeben werden dürften. Ein anderer kündigte empört an, seine drei Auszeichnungen zurückzugeben. Er wolle seine Verdienste nicht in derart schlechter Gesellschaft gewürdigt sehen.

Dabei kann der arme König gar nichts dafür. Die Ordensverleihung war von den politischen Parteien im Parlament eingefädelt worden, als gegen die Agusta- Empfänger noch nichts vorlag und der Graf seine rechte politische Heimat noch nicht gefunden hatte. Und danach ging alles seinen vorgeschriebenen Weg bis zum König, der sich nicht dagegen wehren kann. Belgien ist schließlich eine parlamentarische Monarchie. Die Verfassung verbietet ihm jede politische Stellungnahme. Eine Verweigerung oder ein Aufschub gelten aber schon als politische Äußerung.

Den Mißbrauch der königlichen Ehren hätten die Parteien stoppen müssen. Doch die haben sich angesichts der zahlreichen Affären schon aus Gründen der Selbsterhaltung angewöhnt, sich an nichts zu erinnern, was länger als 12 Monate zurückliegt. Alois Berger

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