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Der Wille der Deutschen geschehe

■ Morgen entscheidet die katholische Vahr-Gemeinde den Abriß ihrer Zweit-Kirche. Die polnischen Nutzer reagieren mit Wut

Der Beschluß fällt morgen Abend: Die katholische Sankt-Laurentius-Kirche in der Gartenstadt Vahr wird abgerissen - an ihrer Stelle entsteht ein Altersheim der Caritas. Im jüngsten Bericht des für St. Laurentius zuständigen Ausschusses der Gemeinde steht es in aller Deutlichkeit: Auch wenn der Kirchenvorstand der Vahr-Gemeinde am Donnerstag noch zustimmen muß, ist der Pachttermin mit der Caritas schon auf den 19. Januar festgeschrieben - „Baubeginn“ soll im April oder Mai sein.

Nichts besonderes – auch Kirchen dürfen abgerissen werden, sagen befragte Kirchenrechtler – wenn da nicht die große polnischsprachige Gemeinde in der Vahr wäre, die sich seit vielen Monaten mit zunehmender Wut gegen den Abriß der Kirche zur Wehr setzen würde (die taz berichtete). Die Polen nämlich sehen die kleine Nachkriegskirche in der Vahr als ihr Gotteshaus an und sorgen dafür, daß dieses jeden Samstag beim Gottesdienst in polnischer Sprache mit rund 300 Besuchern bis in den Vorflur hinein gefüllt ist. Von solchen Zahlen kann die deutsche Gemeinde in der Vahr nur träumen - und so sieht sie in dem künftigen Altersheim denn auch nur noch eine kleine Kapelle vor, in der die „ganze jetzige Gottesdienstgemeinde bequem Platz haben wird“, so Kirchenvorstand Jürgen Roidl im Gemeindebrief.

Zu klein ist die Kapelle jedoch für die Polnische Katholische Mission mit ihrem polnischsprachigen Gottesdienst. „Mit denen haben wir nichts zu tun“, so Jürgen Roidl gegenüber der taz. Die Polnische Mission habe „nur Gastrecht“ – selbst wenn der größere Teil ihrer Gottesdienstbesucher einstige polnische Aussiedler sind und somit offiziell zu den deutschen Gemeinden in Bremen gehören. Und so haben die zahlenmäßig gewichtigsten Nutzer des Gotteshauses am morgigen Abend um 19.30 Uhr in der Sankt-Laurentius-Kirche auch offiziell keinen Zutritt, wenn der Kirchenvorstand gemeinde-“öffentlich“ den Abriß beschließt. Bei der Polnischen Mission geht man jedoch davon aus, mitreden zu dürfen.

Für Bremens deutschsprachige Katholiken soll das Kapitel Sankt Laurentius also morgen abgeschlossen werden. Mit großem Engagement bemüht sich Bremens Probst Ansgar Lüttel deshalb um einen neuen Standort für den polnischen Gottesdienst. Eine heikle Angelegenheit, denn Bremens Gemeinden sind nicht nur froh darüber, wenn deutsche Aussiedler die eher konservativen polnischen Gottesdienste besuchen. Probst Lüttel will denn auch der Entscheidung des Vahrer Kirchenvorstands noch nicht vorgreifen: „Ich stehe bei der polnischen Gemeinde im Wort, daß ich in der näheren Umgebung eine neue Bleibe für die Samstags-Gottesdienste finde - und ich weiß auch schon, wo das sein könnte.“ Nächste Woche will er die polnische Gemeinde informieren.

Doch auch in der polnischen Gemeinde will man sich mit einem Umzug noch nicht zufrieden geben. „Auf der polnischen Seite wächst die Spannung“, so ein Beobachter – selbst konkreter Widerstand gegen die Umsiedlung sei nicht auszuschließen. 1.000 Unterschriften gegen den Abriß von Sankt Laurentius habe sie in kürzester Zeit gesammelt, berichtet auch Janina Mankowska vom Komitee zur Rettung der St.-Laurentius-Kirche „Ratunek“: Und mit Schimpfwörtern wie „Nazis!“ oder „Verbrecher!“ seien dabei auch jede Menge Unmutsäußerungen gegen ihre deutschen Glaubensgenossen zusammengekommen. Ein Gespräch „mit dieser überaus emotionalisierten Gruppe“ in der polnischen Glaubensgemeinschaft sei denn auch kaum noch möglich, betont Probst Lüttel. ritz

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