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Der Traum vom reichen Arzt ist vorbei

■ In Hamburg dürfen sich nur noch Nervenärzte niederlassen / Niederlassungsstopp für alle übrigen Ärtze-Gruppen verfügt / 15 Jahre Ausbildung für die Katz?    Von Kaija Kutter

Tristesse in der Mensa Martinistraße. „Ich will versuchen, noch was anderes zu studieren“, sagt die Medizinstudentin Mareen. Philosophie vielleicht. Eine Schauspielausbildung mache sie schon, so nebenbei. Neun Semester Uniklinik Eppendorf. Nein, gelernt habe sie hier nicht viel: „Ich hab das Gefühl, die nehmen mir hier Zeit vom Leben weg.“

Ob ihre Lustlosigkeit etwas mit dem Niederlassungsstopp für Ärzte zu tun habe? „Vielleicht, ja, ich glaub schon.“ Auch ihre Tischnachbarin spricht nicht gern über dieses Thema. Es gebe da so ein paar Tricks, ohne Kassenzulassung zu arbeiten. Aber das sollte nicht in der Zeitung stehen.

Seit Ende Mai steht es schwarz auf weiß: Hamburg hat „zuviele“ Ärzte. Der vom Gesundheitsminister verordnete Versorgungsgrad von 110 Prozent ist überschritten. 915 Allgemeinärzte, 153 Augenärzte, 92 Chirurgen, 297 Frauenärzte, 122 Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, 105 Hautärzte, 579 Internisten, 136 Kinderärzte, 156 Orthopäden, 109 Radiologen und 77 Urologen müssen für 1,7 Millionen Einwohner reichen. Nur bei den Neurologen ist noch Luft. Zu den 112 Nervenärzten, rechnet Hans-Rudolf Algier von der Kassenärztlichen Vereinigung vor, könnten noch 32 dazukommen.

Der Niederlassungsstopp für Hamburg ist noch nicht so richtig offiziell. Erst wenn die neue Regelung im Bundesanzeiger für Ärzte publiziert wird, so Algier, trete sie in Kraft. Doch jetzt ist schon klar: wer bis zum 31. Januar nicht seine Zulassung beantragt hatte – allein in Hamburg waren dies 500 Ärzte –, der hat auf lange Sicht schlechte Karten. Denn in vielen Sparten liegt die Versorgung weit über 110 Prozent. Röntgen-Praxen beispielsweise darf es nur 73 geben. Bevor diese Zahl nicht erreicht ist, wird keine zugelassen. Fast 4000 junge Menschen studieren allein in Hamburg Medizin. Jährlich kommen 500 hinzu. Sind also die Ärzte die arbeitslosen Lehrer der 90er Jahre?

„Ich würde mich da nicht so verrückt machen lassen“, sagt Bernd Kalvelage von der Hamburger Ärzteopposition. Es könne durchaus sein, daß alles nicht mehr so glatt läuft wie in den 50er Jahren. Man müsse sich eben Nischen suchen. Nur der Traum vom schnellen Geld sei eben ausgeträumt. Nach Meinung des Internisten wird die Debatte nicht ehrlich geführt. Um die Kosten des Gesundheitswesens in den Griff zu bekommen, bräuchte man ein gerechteres Honorarsystem. Während ein Hirncomputertomogramm mit 190 Mark vergütet wird, bekommt ein praktischer Arzt für die Untersuchung eines Patienten läppische 11 Mark. Heute liegen die Jahreseinkommen der Ärzte zwischen 70.000 und 500.000 Mark. Sein Vorschlag: ein Einheitslohn von 10.000 Mark für alle Ärzte.

„Das Abrechnungssystem müßte reformiert werden“, fordert auch Georg Zeschwitz vom Fachschaftsrat am UKE. Die Studentenvertreteung lehne den Niederlassungsstopp ab, habe die Sache aber trotzdem nicht „zum Zentrum ihrer Aktivitäten“ gemacht. Zeschwitz: „Wir gehen davon aus, daß die Regelung wieder gekippt wird.“ Sei doch abzusehen, daß der Verband der Krankenhausärzte, der Marburger Bund, klagen wird.

Denn während die niedergelassenen Ärzte ihr Schäfchen im Trockenen haben, sind die Krankenhausärzte angeschmiert. 80 Prozent der Assistenzärzte, so der Marburger- Bund-Vorsitzende Frank Ulrich Montgomery, haben befristete Verträge. Dies scheint zunächst vernünftig, da sonst kein Platz für den Nachwuchs geschaffen würde. Montgomery: „Es macht doch keinen Sinn, alle fünf Jahre eine neue Generation von Fachärzten in die Arbeitslosigkeit zu entlassen.“ Die hätten sich dann 15 Jahre auf einen Beruf spezialisiert und „können gar nichts anderes“. Dabei sei es paradox, daß nirgendwo soviele Überstunden gemacht würden wie im Krankenhaus. Das einzig Vernünftige wäre, mehr Stellen zu schaffen.

Nach Abbau der Überstunden in Krankenhäusern, das wissen auch die Medizinstudenten Jörg und Alexander, könnten bundesweit 10.000 Ärzte eingestellt werden. Die beiden haben das Physikum hinter sich, füllen beim Essen in der Mensa Bewerbungen für ein Promotionsstudium in den USA aus. Da ihre Ausbilung um die 400.000 Mark kostet, hoffen sie, daß sie im Ausland gefragt sind. „In Norwegen bilden die gar keine Ärzte aus, weil es ihnen zu teuer ist“, sagt Jörg. Nur schade, das er kein Norwegisch kann.

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